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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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NEUE PUNITIVITÄT IN DER JUGENDKRIMINALPOLITIK? 15<br />

Tendenzen der Jugendkriminalpolitik eine wichtige Rolle. Wenn in den USA Bootcamps,<br />

zero tolerance, „three strikes and you are out“ Konjunktur haben, dann kommen<br />

entsprechende Vorstellung früher oder später auch bei uns an. Hinzu kommt die<br />

von den USA und Skandinavien ausgehende Krise der Resozialisierung mit dem markanten<br />

Stichwort „nothing works“, die zur Schwächung des Erziehungsgedankens<br />

auch im Jugendstrafrecht beitragen kann. Spätere Relativierungen und Korrekturen<br />

dieser Generalhypothese, die <strong>vor</strong> allem durch Lösel und andere deutsche Forscher<br />

<strong>vor</strong>genommen wurden, 9 haben in vielen anderen Ländern keine Beachtung gefunden.<br />

In England, wo ja schon seit jeher Kinder ab 10 Jahren strafmündig sind, wurden<br />

durch den Criminal Justice Act von 1994 die Strafrahmen für die Jugendstrafe erhöht<br />

und eine sichere Unterbringung von 6 Monaten bis zu 2 Jahren in Form der „Secure<br />

Training Order“ auch für 12- bis 14-Jährige eingeführt. 10 Außerdem wurden die Möglichkeiten<br />

einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit 10- bis 14-Jähriger erweitert und<br />

die sogenannte „parenting order“ eingeführt, d.h. die Verpflichtung der Eltern, an Erziehungskursen<br />

bzw. Elternberatung teilzunehmen, wenn ihr Kind infolge Vernachlässigung<br />

straffällig wurde. 11 Im „Crime and Public Disorder Act“ von 1998 wurden<br />

diese Tendenzen verstärkt, indem zum Beispiel die als „Detention und Training Order“<br />

bezeichnete Sanktion von zwei auf vier Monate erhöht wurde. Insgesamt sind die<br />

repressiven Tendenzen in der Jugendkriminalpolitik im England wohl am deutlichsten<br />

ausgeprägt, vermutlich auch am stärksten an der US-amerikanischen Kriminalpolitik<br />

orientiert, wo zwischen 1992 und 1995 mehr als 90 % der Bundesstaaten ihre Jugendkriminalgesetzgebung<br />

mit dem Ziel geändert haben, den Transfer Jugendlicher an<br />

Erwachsenengerichte zum Zweck einer härteren Bestrafung zu erleichtern und im<br />

übrigen das Jugendrecht stärker dem Erwachsenenrecht anzugleichen. 12<br />

Die kontinental-europäsichen Länder haben deutlicher am Vorrang des Erziehungsgedankens<br />

im Jugendstrafrecht festgehalten. Beispielhaft hierfür sind die Reformgesetze<br />

in Österreich von 1998, in Deutschland von 1990, in den Niederlanden<br />

von 1995, in Spanien von 2000, in Portugal von 2001 und in Frankreich von 2002. 13<br />

Im Sommer 2002 wurde in Frankreich ein Gesetz verabschiedet, das die geschlossene<br />

Heimunterbringung ebenso wie die generelle Untersuchungshaftanordnungen<br />

auch bei Vergehen schon bei 13-jährigen Jugendlichen ermöglicht, nachdem bis dahin<br />

die U-Haft bei unter 16-Jährigen auf Fälle von Verbrechen beschränkt worden war. 14<br />

Außerdem wurden hohe Mindeststrafen für jugendliche Mehrfachtäter eingeführt und<br />

das Jugendstrafrecht für Mehrfachtäter über 16 Jahren nicht mehr angewendet.<br />

9<br />

Lösel/Köferl/Weber Meta-Evaluation in der Sozialtherapie, 1987; Kaiser Kriminologie, 3. Aufl. 1996,<br />

§ 31 Rn. 47 ff. m.w.N.<br />

10<br />

Dünkel Entwicklungen der Jugendkriminalität und des Jugendstrafrechts in Europa – ein Vergleich,<br />

Greifswald, 6.3.2004, 12 m.w.N. (www.uni-greifswald.de/-ls3)<br />

11<br />

Dünkel (s.o. Fn. 10), S. 12.<br />

12<br />

Dünkel (s.o. Fn. 10), S. 14 m.w.N.<br />

13<br />

Dünkel (s.o. Fn. 10), S. 14 m.w.N.<br />

14<br />

Dünkel (s.o. Fn. 10), S. 12 m.w.N.

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