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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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ZUNEHMENDE PUNITIVITÄT IN DER PRAXIS DES JUGENDKRIMINALRECHTS? 75<br />

5. Untersuchungshaft<br />

Zur Untersuchungshaft liegen seit 1975 Daten <strong>vor</strong> über die Abgeurteilten mit <strong>vor</strong>angegangener<br />

Untersuchungshaft. Die (auf Verurteilte bezogenen) Untersuchungshaftraten<br />

waren im Jugendstrafrecht nicht, wie angesichts des jugendstrafrechtlichen<br />

Subsidiaritätsgebots zu erwarten war, wesentlich niedriger als im allgemeinen Strafrecht;<br />

seit 1988 waren sie sogar deutlich höher und stärker angestiegen. 86 Erst seit<br />

1994 gehen die Raten deutlich zurück; sie liegen inzwischen unter jenen im allgemeinen<br />

Strafrecht. Die U-Haft-Raten geben deshalb keine Hinweise auf zunehmende Punitivität.<br />

6. Punitivität in Vollstreckung und Vollzug<br />

Sektorale Punitivität wird immer wieder vermutet bei Vollstreckung und Vollzug jugendstrafrechtlicher<br />

Sanktionen. Punitivität als Ausdruck eines Niedergangs des Rehabilitierungsideals<br />

und gesteigerten Sicherheitsdenkens könnte seinen Niederschlag<br />

in einem Rückgang der im offenen Vollzug untergebrachten jugendlichen Gefangenen<br />

finden. Diese Anteile sind mit 5,3% (im Schnitt der Jahre 1992 bis 2007) gering, ihr<br />

Anteil ist in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Der wellenförmige Verlauf<br />

lässt indes keine Aussage hinsichtlich einer entsprechenden Tendenz zu.<br />

Dünkel/Geng stellten bei ihrer Primärdatenerhebung Anfang 2006 fest, dass in den<br />

meisten Jugendstrafvollzugsanstalten Vollzugslockerungen u.ä. nur noch im offenen<br />

Vollzug eine nennenswerte Rolle spielten. 87<br />

In der Strafvollzugsstatistik werden zwar Entlassungen nach §§ 88, 89 JGG nachgewiesen.<br />

Ohne die Gesamtzahl der aus Jugendstrafvollzug Entlassenen lässt sich<br />

hieraus nicht entnehmen, ob die Strafrestaussetzung rückläufig ist. 88 Diese Daten fehlen<br />

aber. Die Abgangszahlen werden nicht nach der Vollzugsart differenziert, es wird<br />

auch nicht nach Jugendstrafanstalten und Erwachsenstrafanstalten getrennt. Aus der<br />

JVA Adelsheim <strong>vor</strong>liegende Daten für den Zeitraum ab 1990 zeigen, dass seit 1995<br />

die Entlassungspraxis zurückhaltender geworden ist, in den letzten Jahren scheint sie<br />

aber wieder etwas gelockert worden zu sein. Die Beachtung gesetzlicher Vorgaben –<br />

etwa die 1998 erfolgte Neufassung von § 88 Abs. 1 JGG zugunsten einer enger gefassten<br />

„Verantwortungsklausel“ – wird freilich der Praxis kaum als Punitivität <strong>vor</strong>gehalten<br />

werden können. 89<br />

86<br />

Vgl. Heinz (Anm. 9), Schaubild 26.<br />

87<br />

Dünkel, Frieder; Geng, Bernd: Aktuelle rechtstatsächliche Befunde zum Jugendstrafvollzug in<br />

Deutschland. Ergebnisse einer Erhebung bei den Jugendstrafanstalten zum 31.01.2006. ZJJ 2/2007, S.<br />

143, 149 f.<br />

88<br />

Obergfell-Fuchs (Anm. 28) berechnete Anteile, bezogen auf die Gesamtzahl aller in Freiheit Entlassenen.<br />

Wegen der unterschiedlichen Entwicklung der Gefangenen im Erwachsenen- und im Jugendstrafvollzug<br />

ist die Interpretation der Ergebnisse schwierig.<br />

89<br />

Ob die Neufassung eine Verschärfung oder nur eine Klarstellung ist, ist in der Literatur umstritten<br />

(vgl. Brunner, Rudolf; Dölling, Dieter: Jugendgerichtsgesetz, Berlin/New York, 11. Aufl., 2002, § 88<br />

Rdnr. 1.

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