Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?
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174<br />
BRITTA BANNENBERG<br />
sind die einzelnen Stadtteile unterschiedlich stark von Kriminalität betroffen. 94 Kriminalitätsschwerpunkte<br />
liegen eher in der City der Großstädte, was auf verschiedene<br />
Faktoren, etwa die hohe Mobilität und den Anziehungspunkt der City für Tatgelegenheiten<br />
zurückgeführt wird. 95 Weitere Schwerpunkte finden sich in Stadtteilen, die eine<br />
Konzentration sozialer Probleme und ethnischer Gruppen aufweisen. Hier wird die<br />
Kriminalität mit abnehmender Sozialkontrolle, wirtschaftlichen Problemen, problematischen<br />
Lebenslagen und Lebensstil erklärt. 96 In deutschen Städten sind problematische<br />
Stadtteilentwicklungen und Ghettobildungen noch nicht in dem Ausmaß beschrieben<br />
worden, wie dieses aus amerikanischen und französischen Vorstädten berichtet<br />
wird. Die für viele Großstädte angenommene Sogwirkung der City, die viele<br />
Menschen von außerhalb anzieht, die Tatgelegenheiten nutzen, ist nicht vergleichbar<br />
mit „no-go-areas“ oder „Immunitätszonen“, wie Killias sie unter Berufung auf die<br />
französischen Außenquartiere (banlieus), nennt. 97 Solche Gebiete sind gekennzeichnet<br />
durch Abschottung nach außen, Rückzug des Staates und die Durchsetzung eigener<br />
Regeln; die Dominanz männlicher junger Einwanderer, Gewalt- und Drogenkriminalität.<br />
Aber auch in Deutschland zeigen sich problematische Tendenzen, wie die Berliner<br />
Erfahrungen zeigen.<br />
Kommunen kommt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung präventiver<br />
Strategien zu. Sie sind in der Lage, die konkrete regionale Problemanalyse<br />
<strong>vor</strong>zunehmen, können Städtebau und Sozialraumgestaltung steuern, damit Segregation<br />
eindämmen, aber auch im sozialen Netzwerk eine wichtige Rolle einnehmen. Aktuell<br />
zeigt eine Studie nun deutlich die Wirksamkeit kommunaler vernetzter Strategien auf:<br />
In Baden-Württemberg 98 wurde mit dem „Heidelberger Modell“ eine Vernetzung von<br />
Polizei, Kommune, Zivilgesellschaft und Wissenschaft umgesetzt, um ursachenorientiert,<br />
theoretisch fundiert und empirisch untermauert die Kriminalitätsbelastung zu<br />
senken. Auf der Grundlage wiederholter Bevölkerungsbefragungen und einer Sonderauswertung<br />
der Polizeilichen Kriminalstatistik konnte gemessen werden, dass die<br />
Kriminalität in den letzten 10 Jahren in den Modellregionen erheblich gesenkt werden<br />
konnte, während dieses in den Vergleichsregionen nicht der Fall war. Auch wenn sich<br />
einzelne Maßnahmen der Kommunen in ihrer Wirksamkeit nicht messen lassen, kann<br />
der kriminalpräventive Erfolg in dem Synergieeffekt der verschiedenen Präventionsmaßnahmen<br />
gesehen werden, die seit Jahren unter Beachtung wissenschaftlicher Wirkungsprinzipien<br />
umgesetzt worden waren. Theoretisch geht es <strong>vor</strong> allem um den Abbau<br />
sogenannter „incivilities“, also sozialer Erosion und um die Stärkung sozialen<br />
Kapitals. Sowohl die Kriminalitätsfurcht wie auch die Kriminalitätsbelastung sanken<br />
nun deutlich.<br />
94<br />
Ausführlicher Bannenberg in FS Schwind, 2006, 775 ff.; BMI/BMJ (Hrsg.) 2. PSB 2006, 70 ff.; Killias<br />
2002, 123.<br />
95<br />
Killias 2002, 130 ff. auch zur weiteren notwendigen Differenzierung nach der unterschiedlichen Risikoverteilung<br />
innerhalb der Städte und methodischen Möglichkeiten der Erfassung dieser Unterschiede.<br />
96<br />
Speziell zum Lebensstilkonzept im Zusammenhang mit Stadtteilen und ökologischer Kriminalitätstheorie<br />
ausführlich Hermann/Laue Soziale Probleme 2003, 107 ff.<br />
97<br />
Killias 2002, 134 mit weiteren Nachweisen.<br />
98 Hermann, Trauma & Gewalt 2008, 220 ff.