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Das Jugendkriminalrecht vor neuen Herausforderungen?

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KONTINUITÄT UND ABBRUCH PERSISTENTER DELINQUENZVERLÄUFE 115<br />

Die Verringerung der Täterinzidenz unter den im Kindesalter Hochbelasteten sowie<br />

die Zunahme der Täterinzidenz in der Gruppe der Late Starter (oder Adolescent<br />

Onset) gibt zu der Vermutung Anlass, dass der auf Grund von deterministischen Klassifikationen<br />

berichtete, zumindest im Jugendalter recht konstante Anteil von 5% bis<br />

6% Intensivtätern nicht, wie bislang angenommen, aus denselben Personen, also einer<br />

homogenen Gruppe besteht, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil auf einem<br />

Austausch zwischen beiden Gruppen beruhen kann.<br />

Abbruch statt Persistenz als typisches kriminologisches Lebensverlaufsmuster war<br />

<strong>vor</strong> allem der zentrale Befund der Analyse von Hellfeld-Karrieren die Laub und<br />

Sampson mit 475 der ehemals 500 inhaftierten Gluecks-Probanden durchführen konnten.<br />

Es handelt sich um die erste Studie, die eine Beobachtung der nahezu gesamten<br />

registrierungsrelevanten Lebensphase erlaubt, nämlich vom 7. bis zum 70. Lebensjahr<br />

(Laub und Sampson 2003, siehe auch Sampson und Laub 2003; 2005, und unten 5.1).<br />

Da nur die in ihrer Jugendzeit inhaftierten Probanden analysiert wurden, waren in<br />

einer solchen, auf einer (hoch) stratifizierten Stichprobe und auf Hellfelddaten beruhenden<br />

Studie eigentlich am ehesten delinquente Persistenzen zu erwarten gewesen.<br />

Obwohl nach Deliktsgruppen, kindlichen und familiären Risikogruppen, selbstberichteter<br />

Delinquenzbelastung im Kindes- und Jugendalter sowie nach Inhaftierungszeiten<br />

differenziert wurde und man schließlich mit einer latenten Klassenanalyse bis zu sechs<br />

Trajektorien registrierter Delinquenz herausfand („Classic“ und „Moderate-rate Desister“,<br />

„High-“, „Low-“ und „Moderate-rate Chronic“, „Late-onset Offender“), zeigte<br />

sich indessen immer dasselbe Verlaufsmuster zwischen Kriminalität und Alter: In<br />

allen Untergruppen setzte mit einer gewissen zeitlichen Varianz früher oder später ein<br />

rapider Kriminalitätsrückgang ein. Meistens erfolgte dies ab Mitte Zwanzig, bei den<br />

High-Rate Chronics (für die Gesamt- bzw. Gewaltkriminalität 3,2% bzw. 2,4% der<br />

Probanden) erst ab Mitte Dreißig (Laub und Sampson 2003, S. 103 ff.; Sampson und<br />

Laub 2003, S. 569 ff.). Die Autoren meinen zu Recht, dass es schwierig sei, diese<br />

Befunde mit der Idee des „Life-Course-Persisters“ zu versöhnen („in need of<br />

overhaul“) und schlagen als Alternative ein Konzept des „Life-Course Desisters“ <strong>vor</strong><br />

(a.a.O., S. 588; siehe auch 2005, S. 19 ff., 30 f. für leichte Delinquenz). 24<br />

Vergleicht man die Befunde der latenten Klassenanalysen für Dunkel- und Hellfelddaten,<br />

dann scheinen Erstere ein deutlich größeres Maß an Variabilität der Delinquenztrajektorien<br />

her<strong>vor</strong>zubringen als Letztere, bei denen alle Gruppen mehr oder<br />

weniger den für Prävalenzraten typischen glockenförmigen Altersverlauf aufweisen.<br />

im 14. Lebensjahr deutlich zugenommen hatte - bereits im 16. Lebensjahr wieder auf das Niveau des<br />

13. Lebensjahres zurück, während gleichzeitig eine Gruppe später Starter (erst) im 16. Lebensjahr an<br />

deren Niveau heranreichte (Reinecke 2008).<br />

24<br />

Auch in der Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung (Nachuntersuchung) ist die Verurteiltenprävalenz<br />

der Insassenpopulation für Eigentums- und Gewaltdelikte von 25% bzw. 14% mit Mitte Zwanzig<br />

auf 10% bzw. 5% Anfang Dreißig und schließlich Ende Dreißig auf 2% gesunken. Von 27 Heranwachsenden<br />

mit mehr als zwei Gewaltverurteilungen waren zwischen dem 29. und 38. Lebensjahr<br />

noch sechs und zwischen dem 34. und 38. Lebensjahr noch zwei Probanden so verurteilt worden<br />

(Boers 2008). - In Duisburger und Münsteraner Panelanalysen (bislang 13. bis 16. Lebensjahr) nahm<br />

der Anteil der deterministisch definierten Intensivtäter (fünf und mehr Gewaltdelikte) ab dem 16. Lebensjahr<br />

wieder ab (Boers et al. 2006, S. 74).

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