Konzeptuelles und prozedurales Wissen als latente Variablen: Ihre ...
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118 Kapitel 7<br />
Da jedes Modell immer nur eine vereinfachende Annäherung an die Realität darstellt<br />
<strong>und</strong> nur Teilausschnitte der Realität abbilden kann, gibt es nicht das einzig wahre Modell,<br />
sondern unterschiedliche Modelle sind mit den empirisch gef<strong>und</strong>enen Daten mehr oder<br />
weniger gut vereinbar. Daher ist die modellvergleichende Vorgehensweise den anderen<br />
beiden Vorgehensweisen gewöhnlich vorzuziehen. Die Vorgehensweise erfordert nicht<br />
zwangsläufig explizite Vergleiche verschiedener Modelle, sondern kann auch darin<br />
bestehen theoriegeleitet zu testen, ob Pfadkoeffizienten in einem einzelnen Modell<br />
signifikant sind oder nicht.<br />
Bei der Modellauswahl ist zu beachten, dass nur die Parameter von solchen Modellen<br />
geschätzt werden können, die empirisch identifiziert sind. Beispielsweise wird die Lage<br />
einer Geraden durch zwei Punkte festgelegt. Angesichts eines einzelnen Punktes ist ihre<br />
Lage unterdeterminiert. In gleicher Weise ist bei der Parameterschätzung eines<br />
Strukturgleichungsmodells das Verhältnis der Anzahl von den gegebenen zu den zu<br />
schätzenden Parametern entscheidend. Hier gibt es aufgr<strong>und</strong> der Komplexität des<br />
Schätzungsprozesses keine eindeutige Regel. Eine nützliche Heuristik, die so genannte<br />
Abzählregel (counting rule, t-rule), besagt, dass ein Modell identifiziert ist, wenn gilt:<br />
( s + 1)<br />
s<br />
t ≤<br />
2<br />
wobei s die Anzahl der gemessenen <strong>Variablen</strong> <strong>und</strong> t die Anzahl der zu schätzenden<br />
Parameter (Varianzen, Kovarianzen, Faktorladungen, Pfadkoeffizienten <strong>und</strong> Fehlerterme)<br />
im Modell ist (Kaplan, 2000, S. 56-58).<br />
Wenn man <strong>latente</strong> <strong>Variablen</strong> modelliert, ist zusätzlich zu beachten, dass die Metrik<br />
dieser <strong>Variablen</strong> festgelegt werden muss, damit das Modell identifiziert ist. Wurden<br />
beispielsweise für einen Faktorindikator die Ausprägungen 1, 2 <strong>und</strong> 3 gemessen <strong>und</strong> für<br />
einen anderen Indikator desselben Faktors die Ausprägungen 2, 4 <strong>und</strong> 6, so könnten die<br />
Faktorwerte 1, 2, 3 lauten oder 2, 4, 6 oder 3, 6, 9 <strong>und</strong> so weiter. Weil die Beziehungen<br />
zwischen Indikatorausprägungen <strong>und</strong> Faktorwerten korrelativ sind, Korrelationen aber<br />
streuungsinvariant sind, ist die Varianz der Faktorwerte angesichts der Indikatoren<br />
unterdeterminiert. Dieses Problem lässt sich auf zwei Weisen lösen: Man kann<br />
spezifizieren, dass der Faktor die gleiche Varianz wie einer der Indikatoren haben soll,<br />
indem man eine der unstandardisierten Faktorladungen auf den Wert 1 fixiert. Alternativ<br />
dazu kann man die Faktorvarianz auf den Wert 1 fixieren. Die Wahl der Alternative kann<br />
die Ergebnisse der Modellparameterschätzung beeinflussen <strong>und</strong> ist bei der Publikation der<br />
Ergebnisse anzugeben (z.B. Bollen, 2002). Selbiges gilt auch für die Mittelwerte der<br />
<strong>latente</strong>n Faktoren, sofern sie im Modell variieren können.