Konzeptuelles und prozedurales Wissen als latente Variablen: Ihre ...
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92 Kapitel 5<br />
<strong>Wissen</strong> umgesetzt wird jedoch mit beeindruckender Genauigkeit, während sie über den<br />
umgekehrten Erwerbsweg wenig aussagt. Zur Ergänzung wird darum nun eine Theorie<br />
vorgestellt, die den Fokus auf den umgekehrten Erwerbsweg setzt.<br />
5.3 Die Theorie der representational redescription<br />
Jean Piagets entwicklungspsychologischer Ansatz beruht auf verschiedenen wichtigen<br />
Annahmen. Seine Annahme domänenübergreifender Entwicklungsstufen ist angesichts<br />
unzähliger empirischer Bef<strong>und</strong>e zur Domänenspezifität des <strong>Wissen</strong>serwerbs <strong>und</strong> Fodors<br />
Überlegungen zur Modularität der Psyche nicht mehr haltbar.<br />
Annette Karmiloff-Smith (1992) versucht durch ihre Theorie der representational<br />
redescription aufzuzeigen, dass eine andere wichtige Gr<strong>und</strong>annahme Piagets unabhängig<br />
davon noch Gültigkeit besitzen kann, nämlich die Annahme, dass ein abstraktes<br />
Verständnis eines Inhaltsgebiets graduell aus Handlungserfahrungen abstrahiert wird.<br />
Während Piaget dies durch die Internalisierung von Handlungsschemata <strong>und</strong> nachfolgende<br />
Ausdifferenzierungen dieser Schemata durch Akkomodationsprozesse bei Verletzung des<br />
psychischen Äquilibriums erklärte, greift Karmiloff-Smith bewusst auf Konstrukte der<br />
zeitgenössischen Kognitionspsychologie, nämlich <strong>Wissen</strong>sarten, zurück, um Piagets<br />
Ansatz an aktuellere Entwicklungen wieder anschlussfähig werden zu lassen. Sie spricht<br />
von implizitem <strong>und</strong> explizitem <strong>Wissen</strong>.<br />
In der Literatur zum impliziten Lernen wird explizites <strong>Wissen</strong> vor allem <strong>als</strong><br />
verbalisierbares <strong>und</strong> implizites <strong>Wissen</strong> <strong>als</strong> nichtverbalisierbares <strong>Wissen</strong> aufgefasst (Siegler<br />
& Stern, 1998). Aus dieser Perspektive können sowohl konzeptuelles <strong>als</strong> auch <strong>prozedurales</strong><br />
<strong>Wissen</strong> explizit oder implizit sein (vgl. die Anmerkungen zu explizitem <strong>und</strong> implizitem<br />
Konzeptwissen in den Unterabschnitten 2.2.1 <strong>und</strong> 4.6.1). Karmiloff-Smith setzt jedoch<br />
einen etwas anderen Fokus, indem sie implizites <strong>Wissen</strong> mit prozeduralem <strong>Wissen</strong><br />
gleichsetzt <strong>und</strong> explizites <strong>Wissen</strong> mit konzeptuellem. So schreibt sie über das initiale<br />
implizite <strong>Wissen</strong> von Kindern: „Information is encoded in procedural form. The<br />
procedure-like encodings are sequentially specified“ (Karmiloff-Smith, 1992, S. 20).<br />
Dieses implizite prozedurale <strong>Wissen</strong> ist Karmiloff-Smith zufolge enkapsuliert, d.h. es kann<br />
zwar effizient ausgeführt werden, höhere kognitive Prozesse können auf seinen Inhalt<br />
jedoch nicht zugreifen. Es kann daher weder bewusst verarbeitet, elaboriert oder<br />
verbalisiert werden. Karmiloff-Smith (1992, S. 20ff) bezeichnet dies <strong>als</strong> Level I des<br />
<strong>Wissen</strong>serwerbs, wobei das I für implicit steht..<br />
Sobald sich das <strong>Wissen</strong> auf diesem Level stabilisiert hat <strong>und</strong> erfolgreich angewendet<br />
werden kann, wird aus ihm per representational redescription explizites <strong>Wissen</strong> des so