Konzeptuelles und prozedurales Wissen als latente Variablen: Ihre ...
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Die Unterscheidung von konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem <strong>Wissen</strong> 57<br />
In der Auseinandersetzung zwischen dem Kognitionspsychologen John R. Anderson<br />
<strong>und</strong> dem Anhänger der Situierten Kognition James G. Greeno kristallisierte sich ein auch<br />
empirisch überprüfbarer Unterschied zwischen den Aussagen beider Positionen heraus:<br />
Wenn <strong>Wissen</strong> lediglich in situationsgeb<strong>und</strong>enen Handlungen liegt, dann sollte ein<br />
<strong>Wissen</strong>stransfer über Situationen <strong>und</strong> Aufgabentypen hinweg, die unterschiedliche<br />
Handlungen oder unterschiedliche mentale Operationen erfordern, nicht möglich sein.<br />
Lediglich, wenn zwei Situationen dem Handelnden die gleichen Handlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> -grenzen bieten – Greeno spricht hier von affordances <strong>und</strong> constraints im Sinne<br />
Gibsons ökologischer Theorie der Wahrnehmung (vgl. Greeno, 1994) – sollte<br />
<strong>Wissen</strong>stransfer möglich sein (Greeno, Moore, & Smith, 1993). Liegt <strong>Wissen</strong> hingegen in<br />
mentalen Repräsentationen, die durch eine kognitive Architektur jeweils mehr oder<br />
weniger flexibel transformiert <strong>und</strong> dadurch neuen Situationen angepasst werden können, so<br />
sollte <strong>Wissen</strong>stransfer auch zwischen Situationen stattfinden können, die unterschiedliche<br />
mentale oder motorische Operatoren erfordern <strong>und</strong> lediglich in abstrakt-relationalen<br />
Merkmalen übereinstimmen (Anderson, Reder, & Simon, 1996, 1997). Anderson (1990)<br />
bezeichnet diese Anpassungsleistung <strong>als</strong> den „adaptive character of thought“.<br />
Den prinzipiell möglichen Untersuchungen darüber, ob <strong>Wissen</strong> über Situationen mit<br />
unterschiedlichen affordances <strong>und</strong> constraints transferiert werden kann, steht das Problem<br />
entgegen, dass niemand bestimmen kann, welche oder wie viele affordances <strong>und</strong><br />
constraints zwei Situationen miteinander gemeinsam haben. Unter anderem Barnett <strong>und</strong><br />
Ceci (2002) zeigen jedoch in einem beeindruckenden Literaturüberblick, dass es eine<br />
ganze Reihe von Bef<strong>und</strong>en gibt, die sich zu Recht <strong>als</strong> Nachweis des Ferntransfers von<br />
<strong>Wissen</strong> bezeichnen lassen. Diese Bef<strong>und</strong>e sind ohne die Annahme, dass es abstraktes<br />
<strong>Wissen</strong> gibt, schwer zu erklären. Das widerspricht nicht der Annahme, dass auch situative<br />
Faktoren beim <strong>Wissen</strong>serwerb <strong>und</strong> -abruf von großer Wichtigkeit sind.<br />
Für Überlegungen zum konzeptuellen <strong>und</strong> prozeduralen <strong>Wissen</strong> ist in jedem Fall<br />
interessant, dass für Anderson <strong>und</strong> Greeno, ebenso wie für Rittle-Johnson <strong>und</strong> Kollegen,<br />
die Frage nach der Transferfähigkeit von <strong>Wissen</strong> zentral mit der Frage nach <strong>Wissen</strong>sarten<br />
verb<strong>und</strong>en ist.<br />
4.3.2 Kritik aus didaktischer Sicht<br />
Direkt kritisiert wird die Unterscheidung zwischen konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem<br />
<strong>Wissen</strong> von Claudia von Aufschnaiter (2005). Sie untersuchte anhand verschiedener<br />
Gruppen von Schülern <strong>und</strong> Studenten den Kompetenzerwerb im Bereich der Physik <strong>und</strong><br />
versuchte, durch Auswertung von Videoaufzeichnungen von Unterrichtseinheiten,<br />
Erkenntnisse über den Prozess des Kompetenzerwerbs zu gewinnen. In der Diskussion