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Konzeptuelles und prozedurales Wissen als latente Variablen: Ihre ...

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Die Unterscheidung von konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem <strong>Wissen</strong> 67<br />

Frage ist bekannt: Statt eines Rezeptortyps sind beide auf der Netzhaut zu finden. Nach<br />

demselben Prinzip könnten auch zwei oder mehr unterschiedliche Gedächtnissysteme<br />

entstanden sein.<br />

Diese Überlegungen beweisen nicht, dass es mehrere <strong>Wissen</strong>sarten gibt. Sie legen<br />

lediglich dar, warum sie entstanden sein könnten. Da die menschliche Evolution ein<br />

singuläres historisches Ereignis darstellt, sind evolutionspsychologische Überlegungen<br />

dazu stets post hoc-Erklärungen, die – zumindest <strong>als</strong> Ganzes – nicht experimentell<br />

überprüft werden können. Dies schmälert jedoch nicht die Plausibilität der geschilderten<br />

Argumentation, die gut auf Konstrukte wie ein konzeptuelles <strong>und</strong> ein <strong>prozedurales</strong><br />

Gedächtnissystem anwendbar ist: Ersteres könnte gut durchdachte, dafür aber langsame<br />

Handlungsentscheidungen ermöglichen, Letzteres schnelle, dafür aber unreflektierte<br />

Entscheidungen. Beide Gedächtnisfunktionen böten einen evolutionären Vorteil, sind aber<br />

funktional inkompatibel, weil sie Anpassungen in gegensätzliche Richtungen voraussetzen.<br />

Eine elegante Formulierung dieser Idee stellt das zu Beginn dieser Arbeit angeführte Zitat<br />

Jerry Fodors dar: „Nature has contrived to have it both ways, to get the best out of fast and<br />

dumb systems and slow and contemplative ones, by simply refusing to choose between<br />

them“ (Fodor, 1985, S. 4).<br />

Klein, Cosmides, Tooby <strong>und</strong> Chance (2002) verfolgen den Gedanken, dass<br />

evolutionsspychologische Überlegungen zu multiplen Gedächtnissystemen insbesondere<br />

durch entscheidungspsychologische Überlegungen untermauert werden können. Durch<br />

einen Literaturreview <strong>und</strong> eigene Daten belegen sie, dass – vorausgesetzt, es gibt<br />

unterschiedliche Gedächtnissysteme – es einen großen Anpassungsvorteil böte, wenn diese<br />

Systeme nicht isoliert arbeiteten, sondern sich interagierend ergänzten. In gewisser Weise<br />

kann die Evolutionstheorie <strong>als</strong>o nicht nur erklären, wie verschiedene Gedächtnissysteme<br />

entstanden sein könnten, sondern auch, warum sie sich im Verhalten nicht isoliert zeigen<br />

<strong>und</strong> so schwer zu erforschen sind.<br />

4.4.6 Unterscheidung der <strong>Wissen</strong>sarten: Fazit<br />

Die Bef<strong>und</strong>lage zur Existenz unterschiedlicher <strong>Wissen</strong>sarten ist unübersichtlich.<br />

Philosophische <strong>und</strong> evolutionspsychologische Überlegungen zeigen, dass ihre Annahme<br />

plausibel ist, beweisen jedoch nicht, dass sie notwendig ist. Ähnliches gilt für die Bef<strong>und</strong>e<br />

aus der Lernpsychologie <strong>und</strong> der Gedächtnisforschung: Sie sind sowohl mit der Annahme<br />

vereinbar, dass es unterschiedliche <strong>Wissen</strong>sarten gibt, <strong>als</strong> auch mit der Annahme, dass es<br />

sie nicht gibt. In der neurologischen Forschung herrscht weitgehend Einigkeit über die<br />

Existenz neurologisch voneinander unabhängig funktionierender Gedächtnissysteme bei

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