Konzeptuelles und prozedurales Wissen als latente Variablen: Ihre ...
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Diskussion 229<br />
nachweisbar war. Hiebert <strong>und</strong> Wearne (1996) zeigten, dass konstruktivistischer Unterricht<br />
sich positiv auf die Verknüpfung von Konzepten <strong>und</strong> Prozeduren auswirken kann, wobei<br />
der Effekt jedoch erst nach drei Unterrichtsjahren auftrat. Angesichts der Bef<strong>und</strong>e von<br />
Hiebert <strong>und</strong> Wearne zur Wirkungsdauer ihres Treatments ist die Instabilität der<br />
<strong>Wissen</strong>szuwächse nach der 20-minütigen Intervention in Studie 2 nicht überraschend.<br />
Wenn Kinder ein Treatment wie in Studie 2 über einen längeren Zeitraum erhalten würden,<br />
könnten sich möglicherweise deutliche Dissoziationen zwischen konzeptuellem <strong>und</strong><br />
prozeduralem <strong>Wissen</strong> entwickeln.<br />
Fasst man die letzten beiden Punkte zusammen so lässt sich sagen, dass<br />
Dissoziationen zwischen konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem <strong>Wissen</strong> umso wahrscheinlicher<br />
beobachtet werden können, je kürzer die Tests <strong>und</strong> je intensiver die Interventionen<br />
zwischen den Tests sind.<br />
Eine weitere Variable, die die Korrelation zwischen konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem<br />
<strong>Wissen</strong> moderieren könnte, ist die Komplexität des Lerngegenstands. Im Zuge seiner<br />
umfangreichen Untersuchungen zum expliziten <strong>und</strong> impliziten Lernen befand Reber<br />
(1989): „A rich and complex stimulus domain is a prerequisite for the occurence of<br />
implicit learning. If the system in use is too simple, or if the code can be broken by<br />
conscious effort, then one will not see implicit processes” (S. 220). Die Unterscheidung<br />
von explizitem <strong>und</strong> implizitem <strong>Wissen</strong> ist nicht identisch, aber ähnlich der Unterscheidung<br />
von konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem <strong>Wissen</strong>. Rebers Beobachtung kann <strong>als</strong>o nicht direkt<br />
auf konzeptuelles <strong>und</strong> <strong>prozedurales</strong> <strong>Wissen</strong> übertragen werden. Sie kann <strong>und</strong> sollte aber<br />
doch Vermutungen <strong>und</strong> Untersuchungen dazu anregen, ob sich Dissoziationen zwischen<br />
konzeptuellem <strong>und</strong> prozeduralem <strong>Wissen</strong> stärker in komplexen <strong>als</strong> in einfach strukturierten<br />
Inhaltsgebieten zeigen.<br />
Für Studie 1 <strong>und</strong> Studie 2 wurde ein relativ einfach strukturiertes Inhaltsgebiet<br />
gewählt, um die Interpretation der Ergebnisse zu vereinfachen. Das könnte die hohen<br />
Interkorrelationen der <strong>Wissen</strong>sarten mitverursacht haben.<br />
Bei Untersuchungen zu diesem Thema wird zu beachten sein, dass das konzeptuelle<br />
<strong>und</strong> das prozedurale <strong>Wissen</strong> in einem Inhaltsgebiet unterschiedlich komplex sein können.<br />
Die Regeln des Schachspiels sind zum Beispiel relativ leicht konzeptuell zu verstehen,<br />
während die erfolgreiche Anwendung dieser Regeln ausgesprochen umfangreiches<br />
<strong>prozedurales</strong> <strong>Wissen</strong> über Zugkombinationen, Kurzzeit-, Langzeit-, Angriffs- <strong>und</strong><br />
Verteidigungsstrategien erfordern kann. Die Steuerung einer komplexen technischen<br />
Anlage, beispielsweise eines Kernkraftwerks, von einem elektronischen<br />
Überwachungsstand aus setzt hingegen ein umfangreiches konzeptuelles Verständnis des