Diss_16 Okt 2006 finalvers
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(Nhd.: wurde erschlagen) hatte ursprünglich die Bedeutung von Er wird ein Erschlagener<br />
sein. Für ihn ist die Bildung bzw. die Verwendung des Passivs mit Agens durch den Einfluss<br />
des Lateinischen auf das Deutsche entstanden, denn „in den deutschen Mundarten war die<br />
Bezeichnung des Urhebers, d.h. seine nähere Bestimmung durch von, so gut wie vollständig<br />
fremd.“ 8<br />
Wie Behaghel nimmt Ammann (1961:103) an, dass das dreigliedrige Passiv erst später<br />
entstanden ist, denn „ursprünglich sei die passivisch vorgestellte Handlung anonym …“<br />
Die gleiche Ansicht vertritt Schmidt (1963:4) und konstatiert, dass die Realisierung des Agens<br />
in älteren Sprachen keineswegs die Regel war.<br />
Grimm (1898/1967:15) bemerkt, dass es im Althochdeutschen keine Beschränkungen für die<br />
Anfügung der Agensphrase in der Konstruktion uuesan/wesan + Partizip II gibt, da damals<br />
die Hilfsverben uuesan/wesan im Vergleich zu uuerdhan/werdan zahlenmäßig am häufigsten<br />
vertreten waren. 9 Daneben konnten die Hilfsverben uuesan/wesan und uuerdhan/werdan<br />
füreinander gebraucht, 10 insbesondere dann, wenn sie einen Vorgang oder einen Zustand<br />
bezeichneten, vgl. auch Eroms (1992:229ff.). Erst ab dem <strong>16</strong>. Jahrhundert zeichnete sich eine<br />
bemerkenswerte Änderung in der Verwendung des Agens ab, und von diesem Zeitpunkt an<br />
wurde das Agens häufiger beim werden- als beim sein-Passiv benutzt; das Vorliegen bzw.<br />
Nichtvorliegen des Agens wies dann auf einen aspektuellen Unterschied hin, und zwar wurde<br />
ein Vorgang durch die Konstruktion werden + Agens + Passivpartizip wiedergegeben, für die<br />
Kennzeichnung eines Zustands wurde die Konstruktion sein + Passivpartizip gewählt. Die<br />
Tendenz zur häufigen Agensnennung beim werden-Passiv, die in gewisser Weise durch die<br />
allmähliche Verdrängung einiger sein-Konstruktionen aus dem Passivfeld begünstigt wurde,<br />
welche nicht mehr passivisch deutbar waren und deshalb nur noch als adjektivisch empfunden<br />
wurden, 11 hat sich bis in die neuhochdeutsche Zeit hinein erhalten. 12<br />
Bei Weisgerber (1963) ist das Agens im Passiv deswegen zweitrangig, weil im Passiv das<br />
Augenmerk auf den Vorgang bzw. auf den zu einem Zustand führenden Vorgang liegt. 13<br />
Eichinger (1987:141) bemerkt, dass das Passiv im Althochdeutschen durch eine<br />
„typischerweise unagentische Konstruktionsweise“ gekennzeichnet war.<br />
Kotin (1998) stellt fest, dass sprachhistorisch betrachtet die mögliche Agensfügung in den<br />
Konstruktionen werden + Partizip II und sein + Partizip II als eines der Kennzeichen der<br />
8 Vgl. Behaghel (1924:210).<br />
9 Vgl. Grimm ([1898]/1967:14f.), Eroms (1990:85; 1992:233, 236).<br />
10 Vgl. Eroms (1992:234f.).<br />
11 Vgl. Zifonun (1997:1821ff.), Helbig (1987:215ff.), Engelhardt (1969:185ff.).<br />
12 Vgl. Eroms (1989:93).<br />
13 Siehe Weisgerber (1963:247ff.).