Diss_16 Okt 2006 finalvers
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Verbs. Demnach hat ein Verb wie open (öffnen) den Kasusrahmen [_ O (I) (A)]; dabei steht O<br />
für Objektiv und ist obligatorisch, I für Instrumental und A für Agentiv, die beiden letzten<br />
Rollen sind fakultativ. Dazu folgende Beispiele aus Welke (1988:<strong>16</strong>4f.):<br />
(128) John opened the door. (Agentiv – Objektiv)<br />
(John öffnete die Tür.)<br />
(129) The door was opened by John. (Objektiv – Agentiv)<br />
(Die Tür wurde von John geöffnet.)<br />
(130) The key opened the door. (Instrumental – Objektiv)<br />
(Der Schlüssel öffnete die Tür.)<br />
(131) The door opened. (Objektiv)<br />
(Die Tür öffnete sich.)<br />
Wie den Beispielen zu entnehmen ist, kennzeichnet der semantische Kasus Agentiv eine<br />
menschliche, belebte Größe, die eine Handlung auslöst und ausführt. Dass dieses<br />
Merkmalsbündel nicht ausreichend ist, um den semantischen Kasus Agentiv zu erfassen, zeigt<br />
sich an den unbelebten Größen wie den Naturkräften/-erscheinungen (Erdbeben, Sonne,<br />
Schnee), den Maschinen bzw. Robotern. Es sind zwar unbelebte Größen, die aber imstande<br />
sind, als Agenzien zu fungieren, denn sie können 1) ein Verbalgeschehen auslösen und dessen<br />
Vorgang bzw. Entwicklung kontrollieren, 2) die verantwortlichen Urheber einer Handlung<br />
darstellen, und 3) einen Effekt hervorbringen; diese drei Merkmale sind prototypisch für die<br />
semantische Rolle des Agens (vgl. Abschnitt 3.1.1.1., S. 69–71).<br />
Ebenso wie die semantische Valenz wird der Begriff Kasustheorie nicht einheitlich<br />
gefasst, Helbig (1992) spricht sogar von Kasustheorien. Dies hängt offenbar damit zusammen,<br />
dass einerseits unterschiedliche Kriterien herangezogen werden, was zur Folge hat, dass die<br />
Anzahl der semantischen Kasus ständig variiert, 89 andererseits werden die semantischen<br />
Kasus unterschiedlich definiert. Zum einen werden die semantischen Kasus als inhärente<br />
Merkmale von Nomina betrachtet, die unabhängig von Verben existieren – Fillmore<br />
(1968/1971) fasst das Merkmal [+belebt] als inhärentes Merkmal jeden Agens auf –, oder sie<br />
werden in Relation zu den Oberflächenkasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv)<br />
gebracht, wobei zwischen den Oberflächenkasus und den semantischen Kasus keine Eins-zueins-Entsprechung<br />
besteht (vgl. Fillmore, der in der Reihenfolge der semantischen Kasus auf<br />
der Tiefenstruktur ein Abbild der Reihenfolge der Oberflächenkasus in einem Satz sieht).<br />
Zum anderen werden die semantischen Kasus als Merkmale eines vom Verb geforderten<br />
Eine ausführliche und kritische Darstellung der semantischen Rollen findet sich bei Rauh (1988), Teil II, S. 90–<br />
137.<br />
89 Vgl. von Polenz (1985:<strong>16</strong>9), der annimmt, dass die Anzahl der semantischen Kasus deshalb umstritten bzw.<br />
von Autor zu Autor unterschiedlich ist, weil sie [die semantischen Kasus] für verschiedene Zwecke, z.B. „für<br />
syntaktische Probleme oder für die Wortbildung oder für die Lexikographie/Wörterbuchherstellung oder für die<br />
Stilistik oder für linguistische Datenverarbeitung“ benutzt werden.