Diss_16 Okt 2006 finalvers
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mit Agens und den Passivsätzen ohne Agens weitgehend konstant geblieben. Auch ein<br />
annähernd gleiches Bild kann in neuhochdeutschen Texten gegenüber den<br />
mittelhochdeutschen beobachtet werden; die Prozentzahl der Passivsätze mit Agens liegt<br />
unter 20 %. Bei Brinker (1971) beispielsweise machen die Passivsätze mit Agens in der<br />
Augsburger Konfession aus dem Mittelhochdeutschen 18 % aus, für das Neuhochdeutsche<br />
sind es bei Schoenthal (1976:124) <strong>16</strong> %, bei Trempelmann (1973:80) 17,1 %, bei Duden<br />
(1984:181) 10 %. Viele Autoren sehen in der hohen Gebrauchsfrequenz des agenslosen<br />
Passivs einen Beweis dafür, dass dieses die eigentliche Passivform ist, und die logische Folge<br />
einer solchen Annahme ist, dass das Passiv mit Agens nichts anderes ist als eine Erweiterung<br />
des agenslosen Passivs.<br />
Insgesamt ist der prozentuale Anteil der Passivform mit Agens sehr gering. Die<br />
Agensangabe bleibt deshalb unerwähnt, weil a) das Agens unbekannt, unbestimmt ist, b) das<br />
Agens allgemein bekannt ist bzw. aus dem Kontext erschlossen wird – siehe die anaphorische<br />
bzw. kataphorische Agensellipse in (44) und (45) –, c) es absichtlich verschwiegen wird, und<br />
weil d) es die Grammatikalität eines Satzes beeinträchtigt 50 :<br />
(41) Und die Boten des Hofes laufen los. Die Hebamme wird geholt. Und dann werden die Nachbarinnen<br />
geholt. (Schoenthal, 1976:125)<br />
(42) Weit wird der Ball in die Mitte hineingegeben. Wunderbar machen das die Göttinger. (Schoenthal,<br />
1976:126)<br />
Pape-Müller (1980) zeigt, dass das Agens in fachsprachlichen Texten wie<br />
Verwaltungsvorschriften, Kochrezepten, Gebrauchsanleitungen, Dienstanweisungen usw.<br />
deshalb getilgt wird, weil es aus den entsprechenden Textsorten erschließbar ist und für „eine<br />
nicht explizit spezifizierte Gruppe von Lesern“ steht. 51 Die Nichterwähnung des Agens in<br />
solchen fachwissenschaftlichen Textsorten könnte als ein besonderer Stil betrachtet werden,<br />
der sich über mehrere Jahre hinweg behauptet hat, zu einem tradierten Stil geworden ist und<br />
im heutigen Sprachgebrauch weitgehend als eine grammatische Norm empfunden wird. 52 Als<br />
Beispiel sind diese Belege zu nennen:<br />
(43) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner<br />
Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt<br />
oder bevorzugt werden. (GG Art. 4 (3), zitiert nach Pape-Müller, 1980:97)<br />
50 Vgl. Trempelmann (1973), Helbig/Buscha (1980), Schoenthal (1976), Heidolph et al. (1981) und Rösch<br />
(1994).<br />
51 Vgl. Pape-Müller (1980:97).<br />
52 Vgl. Helbig/Buscha (1980:141), von Polenz (1985:184) über die Nichtnennung von Agensphrasen in<br />
Passivsätzen.