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Aktualisierung der Berichterstattung über die Verteilung

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Endbericht: <strong>Aktualisierung</strong> <strong>der</strong> <strong>Berichterstattung</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Verteilung</strong> von Einkommen und Vermögen 15<br />

Die Kritik an dem Konzept <strong>der</strong> Armutsrisikoquote setzt an verschiedenen Stellen an und betrifft zunächst ihre<br />

beiden zentralen Konstruktionselemente, <strong>die</strong> Äquivalenzgewichtung und <strong>die</strong> konkrete Wahl <strong>der</strong><br />

Armutsrisikoschwelle. 19 Die Bedarfsgewichtung unterstellt den Haushalten wachsende Einsparpotenziale mit<br />

zunehmen<strong>der</strong> Personenzahl (zu Details siehe den Abschnitt 3.1 und darin <strong>die</strong> Abbildung 3.1.1). 20 Zur Höhe<br />

<strong>die</strong>ser Bedarfsgewichte gibt es erwartungsgemäß eine lange Diskussion. An<strong>der</strong>e Institutionen finden an<strong>der</strong>e<br />

Werte angemessener und auch <strong>die</strong> OECD selbst hat ihre Gewichte in <strong>der</strong> Vergangenheit bereits erheblich<br />

modifiziert. Es könnte auch argumentiert werden, dass je nach Analysezweck unterschiedliche Gewichte<br />

geeignet wären. 21 Hinsichtlich beson<strong>der</strong>s hoher Einkommen ist <strong>die</strong> Idee <strong>der</strong> Bedarfsgewichtung ohnehin zu<br />

hinterfragen, da i.d.R. nur ein Teil des Einkommens in den eigentlichen Bedarf des Haushalts fließt. Auch sind<br />

<strong>die</strong> Bedarfe in verschiedenen Landesteilen auf Grund unterschiedlicher regionaler Preisniveaus sicherlich<br />

unterschiedlich hoch. Nicht zuletzt steht auch hinter dem Begriff des laufend verfügbaren Einkommens im<br />

Rahmen <strong>der</strong> so genannten „Integrierten Analyse von Einkommen und Vermögen“, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Gutachten in<br />

Kapitel 8 ergänzend durchgeführt wird, <strong>die</strong> Idee, dass es Unterschiede im Bedarf an Rücklagen zur Bildung von<br />

Altersvermögen zwischen Selbständigen und abhängig Beschäftigten gibt. Nicht zuletzt wird <strong>der</strong> tatsächliche<br />

Finanzbedarf von Personen durch eine Fülle von individuellen Faktoren bestimmt (<strong>die</strong> Kompetenz „haushalten“<br />

zu können, chronische Krankheiten, individuelle Einschränkungen <strong>der</strong> Mobilität etc.).<br />

Beim Abgleich von Armutsrisikoquoten für verschiedene soziodemografische Gruppen, etwa nach dem<br />

Geschlecht o<strong>der</strong> für Kin<strong>der</strong>, sind insbeson<strong>der</strong>e Unschärfen auf Grund des Haushaltskonzepts, nach dem alle<br />

Personen als einkommensarm gelten, <strong>die</strong> in einem einkommensarmen Haushalt leben, zu berücksichtigen, da<br />

keine Aussagen zur Intra-Haushaltsverteilung möglich sind. Schließlich ist insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> neueren Armutsund<br />

Risikoforschung diskutiert worden, dass Einkommen ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> Vermögenssituation nur<br />

ein unvollständiges Maß für <strong>die</strong> finanzielle Situation ist. Deshalb wendet sich <strong>die</strong>ses Gutachten auch erneut<br />

wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> gemeinsamen <strong>Verteilung</strong> von Einkommen und Vermögen zu.<br />

Ähnlich willkürlich ist <strong>die</strong> Festsetzung <strong>der</strong> Armutsrisikoschwelle auf 60% des Einkommensmedian. Mit gleichem<br />

Recht könnten man auch eine Schwelle von 55% o<strong>der</strong> 62% nennen. Kleinste Differenzen im<br />

Haushaltseinkommen führen bereits dazu, dass eine Person in <strong>der</strong> Statistik als armutsrisikogefährdet gezählt<br />

wird (o<strong>der</strong> nicht!). 22 Aus Sicht einer einzelnen Person sind somit <strong>die</strong> Persistenzanalysen in Kapitel 13 <strong>die</strong>ses<br />

Gutachtens eine wichtige ergänzende Informationsquelle.<br />

Schwerwiegen<strong>der</strong> ist allerdings <strong>der</strong> Einwand, dass eine <strong>der</strong>artig allgemeine Schwelle völlig von <strong>der</strong> Lebenslage<br />

<strong>der</strong> betroffenen Personen abstrahiert. Ein monatliches Einkommen von weniger als 946 Euro (<strong>die</strong>ser Wert<br />

entspricht <strong>der</strong> auf Monatsbasis umgerechneten Armutsrisikoschwelle für das Jahr 2008) bedeutet etwa für<br />

einen Medizinstudenten, <strong>der</strong> von seiner wohlhabenden Familie „kurz“ gehalten wird, etwas völlig an<strong>der</strong>es als<br />

für einen beruflich Gescheiterten in <strong>der</strong> zweiten Lebenshälfte. Für den einen ist es eine Durchgangsstation, für<br />

den an<strong>der</strong>en eine wahrscheinlich dauerhafte Misere. Nicht zuletzt deshalb wurden in Laeken auch Indikatoren<br />

zur Beschäftigungssituation, Gesundheit und Bildung ergänzt. Dar<strong>über</strong> hinaus entstanden in den letzten Jahren<br />

deshalb auch Bestrebungen, <strong>die</strong> Verwirklichungschancen von Menschen zu messen und <strong>die</strong> Betroffenheit von<br />

Armut in verschiedenen Dimensionen gleichzeitig zu erfassen (IAW 2006). Ferner ist <strong>die</strong> tatsächliche Situation,<br />

<strong>die</strong> mit einem Einkommen in Höhe <strong>der</strong> Armutsrisikoschwelle verbunden ist, nicht nur nicht erfassbar, son<strong>der</strong>n<br />

auch in einem stetigen Wandel begriffen. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang ist festzuhalten, dass <strong>die</strong><br />

19 Diese Kritikpunkte gelten weitgehend auch für weitere in <strong>die</strong>sem Gutachten verwendete Armutsmaße, wie etwa <strong>die</strong><br />

Armutslücke.<br />

20 So benötigen zwei gemeinsam wohnende und wirtschaftende Erwachsene für ihre Lebensführung keineswegs das<br />

doppelte Einkommen einer alleinlebenden Person, son<strong>der</strong>n laut den Äquivalenzgewichten <strong>der</strong> OECD nur das<br />

An<strong>der</strong>thalbfache.<br />

21 Wenn „arme“ Haushalten im Fokus stehen, könnte man eine degressive Entwicklung <strong>der</strong> Gewichte bei zunehmen<strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>zahl erwarten, da bei mehreren Kin<strong>der</strong>n <strong>die</strong> jeweils jüngeren von den früheren Anschaffungen in Form von Möbeln<br />

o<strong>der</strong> Spielwaren für ihre älteren Geschwister profitieren. An<strong>der</strong>seits könnten <strong>die</strong> Kosten, beispielsweise <strong>der</strong> Mobilität, auch<br />

ansteigen.<br />

22 Hinsichtlich <strong>der</strong> Analysen zur Einkommensmobilität ist somit auch zu berücksichtigen, dass eine Erhöhung des<br />

Haushaltseinkommens um einen Euro den Haushalt bereits aus <strong>der</strong> „Einkommensarmut“ befreien könnte.

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