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„So geht das aber nicht Genosse Unterleutnant!“ beschwert sich Soldat Hennemann
beim Zugführer. Die Bewegung der Formation sei doch eine recht geräuschvolle,
längst wäre der Klassenfeind aufmerksam geworden. Die Mannschaften tragen ihren
Stahlhelm gleich neben dem Seitengewehr am Koppel. Ein Aneinanderschlagen
dieser Utensilien ist unabwendbar und verursacht jenen verräterischen Lärm.
Der blutjunge Zugführer zeigt sich überfordert. Den Befehl zum Aufpflanzen der
Bajonette will er nicht geben. Mickys Anraten: Die Kopfbedeckung wechseln. Das
jetzt erfolgende Kommando „Stahlhelm auf!“ werden ihm seine Kameraden nicht so
schnell verzeihen.
So kommt man auch nicht besser auf ihn zu sprechen, nachdem er im Med.-Punkt
vorstellig wurde. Mit einer ganz speziellen Kur wartet er nämlich danach in der
Unterkunft auf. Die hat man ihm dort verschrieben. Die knapp sitzende Kommando-
Uniformhose und der am Koppel baumelnde Stahlhelm verursachten eine, unter
den Landsern als »Wind-Tripper« bekannte, Entzündung seiner Vorhaut. Mit dem
pflanzlichen Extrakt »Kamillan«, welchen er im Trinkbecher seiner Feldflasche mit
Wasser verdünnt, will er schnellstens der Unannehmlichkeit zu Leibe rücken. Und
das vor seinen Skat dreschenden Stubengenossen. Micky geht recht dicht hinter
ihren Rücken um den Tisch. Sein Glied in deren Augenhöhe badend. Erschrocken
blicken sie fragend zu ihm auf. Was ihm einfiele, mit derartigen Obszönitäten ihre
Runde zu stören.
Micky ist der Einzige, der den Duschtrakt barfüßig aufsucht. Umso mehr ist er
verwundert, dass unter den Mannschaften der Fußpilz grassiert. Trotz Badelatschen.
Er scheint offenbar gefeit zu sein. Als die Betroffenen beflissen ihre Füße mit einer
lilafarbenen und heilenden Tinktur bepinseln, wird er provokant. Er will von ihnen
den Unterschied zwischen Geschlechtsverkehr und Fußpilz wissen. Sie blicken ihn
groß an, als Micky aufklärt: „Der Fußpilz juckt länger!“
Der Sportplatz. Hier drehen die Rekruten ihre Runden. Miserabel moti-viert. Auch
wird fleißig geprobt, wie sich zukünftige NVA-Soldaten auf der bevorstehenden
Vereidigungsveranstaltung zu benehmen haben. Alles parallel zu ihrer sechswöchigen
Grundausbildung. Großer Bahnhof jedes Mal, das halbe Bataillon in Ausgangsuniform.
Aufmarsch, Vorbeimarsch, Exerzierschritt, Formieren. Ehrenbezeigungen
mit und ohne Waffe, Herantreten an die Truppenfahne. Diese Zeremonien erhalten
regelmäßigen Besuch vom unerwünschten Klassenfeind. So dreht ein britisches
Militärflugzeug lauthals über ihnen seine Runden. Die Landser nennen jene Ein-
Propellermaschine den »Großen OvD«. Ein provozierender Störenfried. Nichts geht
mehr. Die Truppe darf rühren und zur Zigarettenpause wegtreten. Nun spurtet aus
frivoler Laune heraus, Soldat Hennemann in das alte Kino nebenan. Er weiß, was
hinter der Eingangstür zu finden ist: Einen alten Reichsbahn-Heizkörper. Elektrisch,
zylindrisch, anderthalb Meter lang, Mantel aus Lochblech. Den greift er sich und
schultert ihn wie einen transportablen Boden-Luft-Raketenwerfer. Die Royal Air
Force ist immer noch in der Luft. Angriffslustig steht er nun breitbeinig auf dem
freien Platz. Die vermeintliche Waffe im 60°- Winkel auf den Flieger gerichtet.
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