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1998: Gottes Vieh
Beim letzten Titel bekommt Normen am Schlagzeug einen argen Krampf im rechten
Handgelenk. Er ist nicht mehr in der Lage weiterzuspielen. Micky kaschiert diese
Situation, in dem er sich spontan auf das Drumpodest begibt und damit beginnt,
einen imaginären Defekt der Fußmaschine zu beheben. Nach dreißig Sekunden
ist der Trommler wieder schmerzfrei und bereit weiterzumachen. »The Scream Of
Butterflies« startet von neuem und im Anschluss hieran wird man genötigt noch eine
Zugabe zu geben. Nach 30 minütiger Pause legt dann die Erfurter Band ANGER
77 los. Die Mannen vom Vieh werden unterdessen in der Garderobe von der Tageszeitung
»Volksstimme« interviewt.
Aufgrund des soundtechnischen Desasters beschließen die Band, ihren Sound selbst
in die Hand zunehmen. Mit der vorhandenen Anlage ist man durchaus in der Lage,
kleine bis mittlere Räumlichkeiten zu beschallen. In den nächsten Wochen wird ein
großzügiges Monitorsystem realisiert. Sechs Lautsprecherboxen, aus denen jeder
den anderen hören kann. Ende März drehen sie im Proberaum die Boxen der P.A.-
Anlage von sich weg. Die neue Monitoranlage wird angekoppelt und sie proben ab
jetzt in der Form, wie sie ihre künftigen Auftritte angehen werden. In jeder Ecke der
Bühne ist ein konstanter, lautstarker und intensiver Kontrollsound zu orten. So muss
es sein.
Die Gottes Vieh eigene Technik gelangt dann am 16. April 1998 zu einem ersten
Einsatz: Die musikalische Umrahmung des Frühlingsfestes einer Wahlveranstaltung
der Schönebecker FDP-Ortsgruppe. Das Soundsystem wird in einer eigens
dafür hergerichteten Bauhalle installiert. Trotz deren miserablen Akustik wird
ein zufriedenstellender Klang erreicht und bis zur Ansprache des ehemaligen
Bundesaußenminister Hansi Genscher stellt die Band sechs ihrer Titel vor. Seiner
Rede wohnt die Band nicht bei, vergnügt sie sich doch mit einem Kasten Pils im
Innenhof der Bildungseinrichtung. Nachdem Genscher auf und davon ist, kommt sie
mit dem FDP-Ortsgruppenführer ins Gespräch. Ihm habe ihre Darbietung gefallen
und wolle nun in Erfahrung bringen, ob man bereit wäre, weitere Events seiner
Partei musikalisch zu umrahmen. Micky konfrontiert ihn jetzt mit seinem Schwarzen
Humor. So erklärt er ihm, dass er Demokrat sei und persönlich als auch grundsätzlich
keinerlei Probleme mit dieser Partei habe, so lange sich die Gage hinlänglich
annehmbar zeige. Schließlich habe er ja auch in der vergangenen Nacht Wahlplakate
der DVU aufgehängt. Der Mann von der FDP lässt seinen Mund offenstehen. Alles
nur ein Scherz, gibt Micky ihm zu verstehen.
Am 1. Mai ist eine weitere Band-Party angesagt. Wieder sind Bekannte und Vertraute
in den Probekeller geladen. So auch die Schönebecker Irish-Folk-Band FREE OF
CHARGE. Nach dem Gottes Vieh pflichtgemäß ihr Repertoire respektive drei neuer
Werke, in den Raum gejagt hat, bringen die »Pub«-Musiker mittels Fidel, akustischer
Gitarre und Bodhrán das fünfzigköpfige Publikum zur emotionalen Ek-stase. Dann
kündigt sich unerwarteter Besuch an.
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