20.09.2021 Aufrufe

Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1977: Die Armee

Auch dann noch als die Frage kommt, wer noch ohne Job sei. Aber da melden sich

lauthals die Typen vom Hafen zu Wort und denunzieren das Trio. Die Betriebsleitung

beschließt: „Na, dann meldet ihr euch hier im Silo!“ Hier hat ein älteres Ehepaar das

Sagen und gibt zu verstehen, dass hier nicht allzu viel Arbeit auf sie wartet. Um 18

Uhr beginnt die Nachtschicht. Um zwei Uhr sollen Micky & Co. lediglich einige

Schieber öffnen. Zwecks Umschüttung der hier lagernden Braugerste. Die Zeit bis

dahin, so wird ihnen nahegelegt, können sie ruhig im nächten Wirtshaus verbringen.

Ja, sie bekommen sogar eine Wegbeschreibung. Und diese führt sie über einen Bach

direkt in die Gartenkneipe »Zum Ohrestrand«. Hier ist es gemütlich und das Bier

kommt vom Fass. Und es schmeckt ihnen. Bis gegen ein Uhr. Recht vergnügt, sie

führen noch eine Flasche Kornbrand mit sich, erreichen sie pünktlich das Silo. In

gerade mal zehn Minuten ist der Job erledigt. Nun schlafen sie sich ihren Rausch

im Korn aus. Um sechs Uhr werden sie von der Kollegin geweckt und nehmen ein

Duschbad. Untergebracht sind sie in einem Hotel direkt am Marktplatz. Hier hin

ziehen sich nun zurück. So geht das Tag ein, Tag aus. Bereits am nächsten Morgen

hängen in Mickys Spind Zivilsachen. In denen fährt er nun täglich mit der S-Bahn

nach Schönebeck und am Abend wieder zurück. Etwas Taschgengeld, allem voran

für die Begleichung ihrer Zechen, wollen sie sich jetzt verdienen. Die Bauern der

Umgebung zahlen ihnen ganze 40 Mark für einen Sack Braugerste. Allerdings nur

für gute Qualität. Und die kommt nur aus dem Silo. Denn dieses Getreide ist für den

Export ins nichtsozialistische Ausland bestimmt. Stichwort Devisen. Das Getreide,

welches auf den Hof gekippt wird ist für die eigene Brauindustrie. Und das kommt

nicht in Frage. Notdürftig mit einer durchlöchteren Plane vor dem Regen geschützt,

beginnt es bereits zu schimmeln. Ein Bauersmann, der sich eine Hand hier von in

Augenschein nimmt, schüttelt den Kopf: „Das kann ich meinen Schweinen nicht

verfüttern. Die würden ja krepieren.“

Als Micky nach diesem Räuberleben wieder seine Unterkunft in der Kaserne betritt,

springt ihm sein Batteriechef Major Wanwitz entgegen. „Soldat Hennemann, sie

brauchen erst gar nicht ihre Sachen auszupacken!“ brüllt er ihm im Flur entgegen.

Mit seiner Sympatie hält er nicht hinter dem Berg: „Bis zu ihrer Entlassung will

ich sie hier nicht mehr sehen!“ Das klingt doch gut. So geht es gleich am nächsten

Morgen zur Kartoffelernte nach Netzen bei Brandenburg. Hier steht er am Fließband

auf einer Erntemaschine. Steine ausssortieren. Nach Feierabend geht es mit den

Kameraden in die Dorfkneipe. Eines Abends gesellen sich zwei sowjetische

Soldaten an ihren Tisch. Per berühmt-berüchtigter »Schto Gramm« prosten sie sich

bis in die frühen Morgenstunden zu. Als dann der Wirt die Stühle hochstellt, tauscht

Micky sein Käppi mit einem der Rotarmisten. Das trägt er dann auch zum Apell am

nächsten Tag. Zum Morgenappell schreitet ein Leutnant die Reihen der angetretenen

Einheit ab. Mit großen Augen bleibt er vor Micky stehen. Dessen Kopfbedeckung

sticht natürlich hervor. Was es damit auf sich hat will er wissen. Micky zieht vom

Leder und berichtet von getrunkener (Waffen-) Bruderschaft, ja sogar von innig-heißen

Brüderküssen mit den Brudersoldaten der Bruderarmee.

118

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!