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1977: Die Armee
Seine zwei Kameraden wünschen sich zu zerstreuen und laden Micky zu einer
Runde Skat ein. Er muss ablehnen, könne er doch lediglich »Quartett«, »Schwarzer
Peter« und »Mau-Mau«. Sie wissen sich zu helfen und holen einen Arrestanten
aus seiner Zelle. Nun dreschen sie mit jenem Unterfeldwebel ihre Karten. Nicht
lange, denn der »OvD« schaut auf seinem nächtlichen Kontrollgang durchs Fenster
des Wachgebäudes. Er reißt die Tür auf und zeigt sich wenig erfreut. Die drei
Kartenspieler haben stramm zu stehen. Zwei Tage später bekommt das Wachlokal
seinen erneuten Besuch. Er zeigt auf Micky, der gerade Bereitschaft hat. „Sie
schnappen sich sofort den Arrestanten und begeben sich vor das Haupttor. Dort
soll er Schnee schieben.“ Es der Heilige Abend. Deutlich erkennt Micky hinter den
Fenstern der gegenüberliegenden Privathäuser die brennenden Weihnachtsbäume.
Es ist 17:00 Uhr, Zeit der Bescherung. Die Kalschnikow geschultert, bietet er den
Inhaftierten eine Zigarette an. Beide denken an Daheim.
Im Februar gibt es die zweite Abkommandierung. Micky muss nach Pots-dam. In
der dortigen Behlertstraße befindet sich das Instandsetzungsbattailon 1. In diesem
Objekt hat er für eine Woche Wachdienst zu verrichten. Gleich die erste Nacht gibt
es während seines Aufzugs ein »Besonderes Vorkommnis«. Es liegt Schnee und es
ist bitterkalt. Etwas außerhalb seines Postenbereichs ist ein Sanitätszelt aufgebaut.
In diesem steht ein Kanonenofen, der ordentlich befeuert ist aber nicht so richtig mit
Wärme aufwarten kann. Die Posten vor Micky haben immer nur Holz nachgelegt,
doch will das Feuer sich nicht so recht entfachen. Kleinmütig qualmt es vor sich hin.
Etwas versteckt hinter dem Abzugsrohr findet sich ein Regler und der steht natürlich
auf »geschlossen«. Augenblicklich ändert Micky diesen Status. Der Ofen zieht jetzt,
doch das zieht Konsequenzen. Denn bereits nach wenigen Minuten beginnt er zu
glühen. Als sich dann noch die Stahlplatte im Zeltdach welche das Ofenrohr umschließt
ebenso rot verfärbt, wird es dem Soldaten Hennemann so richtig bullenheiß. Eine
brenzlige Situation. Der Leinenstoff geht in Flammen auf, die Zeltbehausung wird
aufgegeben. Tags darauf müssen sich die Wachsoldaten verantworten. 4000 Mark
Regress verlangt die Bataillonsführung für die nächtliche Kokelei. Inständig beteuert
Micky seine Schuldlosigkeit. Ja, die Beweislage sei etwas strittig. In der kommenden
Nacht kommt er nicht ganz so ungeschoren davon. Wieder herrscht beklagenswerter
Frost und ein neues Zelt wurde nicht errichtet. Jetzt ist es eine Baracke, die seine
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und die ist unverschlossen. Ein Raum steht offen
und ist lediglich mit einer Petschaft versiegelt. Bedenkenlos wird sie entfernt. Das
Innere gleicht einem Zugabteil. Unter den Sitzen befinden sich jene länglichen
elektrischen Eisenbahnheizkörper. Diese werden sofort aktiviert.
Zusammen mit dem Soldaten Dirk Michaelis, der eigentlich einen benachbarten
Postenbereich zu bewachen hat, macht er es sich bequehm. Ihre Kalaschnikows
haben sie an die Türklinke gehängt. Sie gehen gerade ihren Träumen nach, als gegen
Mitternacht der diensthabende OvD das Gebäude betritt, den Flur entlang schreitet
und vor ihrer Tür irritiert stehenbleibt. Er erkennt die verletzte Petschaft und vernimmt
Mickys unüberhörbares Schnarchen.
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