Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
1984: Team 77
Alsbald sitzen sie in einer solchen am Tisch, dem Kartenspiel zugetan. Ab und an
ihre Flaschen ansetzend. Nach einer Stunde wird das Reinigungskommando müde
und legt sich auf die strohgefüllten Säcke in die Betten. Das KZ hat heute Ruhetag,
sie können also bis zum Mittagessen schlafen.
Einige Tage später ist Micky der GUvD vom Dienst. Diesen verbringt er vorrangig
sitzend am Schreibtisch auf dem Flur. Es ist kurz vor drei Uhr morgens und das Radio
vor ihm spielt Musik des Westberliner Senders RIAS. Die Sender der DDR müssen
übrigens auf den Skalen der Empfangsgeräte Markierungen tra-gen. Plötzlich steht
in der offenen Tür der OvD. Micky tritt ihm entgegen und gibt Rapport: „Genosse
Oberleutnant, die 3. Kompanie bei der Nachtruhe. Die Waffen-kammer verschlossen
und versiegelt. Keine besonderen Vorkommnisse. Es meldet Gefreiter Hennemann.“
Das Radio spielt im Hintergrund immer noch Musik. Doch jedem Moment müssen
die Nachrichten kommen. Bange Sekunden für den GUvD. Zum Glück will der
Oberleutnant nichts weiter. Er ist kaum aus der Tür heraus, kommt es aus dem
Lautsprecher: „RIAS Berlin. Eine freie Stimme der freien Welt. Es ist drei Uhr, hier
sind die Nachrichten.“
Nach seiner Zeit als Reservist setzt Micky einen »Casiotone 7000« ein. Eine Art
Computersynthesizer, der es erlaubt ganze Titel zu erzeugen und sie abzu-speichern.
Zwangsläufig kommt es zu einer teilweisen Verlagerung des Repertoires in Richtung
moderner Diskomusik.
Micky ist jetzt in der Lage parallel zu diesem Synthi, seine Gitarrenparts wie bislang
gewohnt zu spielen.
An einem sonnigen Samstag im August geht es zur Mugge nach Gommern. Micky
und Erwin finden sich als Erste im dortigen »Volkshaus« ein. Vom Wirt erfahren sie,
dass die Veranstaltung im Biergarten stattfindet und man möge sich auf dem kleinen
Pavillon aufbauen. Ihre Anlage müssen sie durch die Gastwirtschaft tragen und dann
weitere 30 Meter durch das Grün. Nachdem die PA steht, holt Micky Bier. Als er
zurückkommt fragt er Erwin ob er der Kapellenleiter des »HWL-Quintetts« sei. Was
der Quatsch soll, entgegnet dieser. „Naja,“ meint Micky „im Flur hängt ein Plakat
dieser Band. Und genau die hat hier und heute ihren Auftritt.“ Alles klärt sich nun
auf, sie sind am falschen Ort. Aus der Aktentasche kramt Erwin den entsprechenden
Vertrag und siehe an, vom »Volkshaus« ist dort nichts zu lesen. Schnell beräumen sie
das Areal und fahren zur Magdeburger Straße. Dort befindet sich das »Waschbrett«,
eine jener typischen und sterilen Clubgaststätten der DDR. Hier sind sie richtig.
Im Oktober holt man Micky erneut zur Reserve. Eine Woche Feldlager inklu-sive
Scharfschießen mit dem Granatwerfer stehen auf an. Zum Frisör muß er nicht, sogar
seinen Vollbart kann er am Kinn belassen. Nach Erhalt von Uniform und Ausrüstung
verbringen die Reservisten ihre erste Nacht in Mannschaftszelten. Dem Micky
fröstelt. Seine mitgebrachten und eingeschleusten »Rhön-Tropfen« sprich einen
leckeren Kräuterlikör, füllt er in die Feldflasche um. Nun seine Wärmflasche.
146