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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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Der Hansi hatte während seiner Lehrzeit

fürwahr kein leichtes Los. So hatte er

schon um zwei Uhr in der Frühe seinen

Mann stehen. Um sieben Uhr ging es

dann mit dem Zug zur Berufsschule

nach Staßfurt und hiernach erneut in die

Backstube. Micky erfährt von ihm eine

wirklich tolle Geschichte: Während sich

Hansi‘s Vater in Kriegsgefangenschaft

befand, kümmerte sich ein Geselle

Rainer & Micky, Februar 1980

um die Bäckerei. Seit Kriegsende oblag

ihm die Verpflichtung, wöchentlich eine

Buttercremetorte der Sowjetische Stadtkommendantur zu liefern. Hiebei befand

sich keineswegs Butter unter den Zutaten. Den nicht gerade verwöhnten russischen

Militärs mundete auch die aus der Not heraus verwendete Margarine. Als dann

1948 die Gefangenschaft für den Chef endete, fiel diesem jene Aufgabe zu. Und

der wollte mit dem Betrug seines Vorgängers nichts zu tun haben. Also erwarb er

für teuer Geld auf dem Schwarzmarkt zwei Pfund gute Butter. Mit stolzer Brust

trug er alsbald das von ihm gefertigte Backwerk in das Büro des Kommandanten.

Die Offiziere nahmen sogleich eine Kostprobe und fielen aus allen Wolken. Wie er

doch dazu käme, ihnen so etwas unterjubeln zu wollen! Ins Kriegsgefangenenlager

brächte man ihn schnellstens wieder zurück, falls er ein zweites Mal sein Produkt mit

Wagenschmiere herstelle.

Hansi vertritt desöfteren den altersschwachen Schlagzeuger der RABEN. Sie sind

die Hauskapelle der »HOG Stadtpark«. In der dortigen Grillbar spielen die drei

älteren Herren und langjährige Berufsmusiker Hits aus mehr als acht Jahrzehnten.

Da der Bäckermeister berufsbedingt ein Frühaufsteher ist, schickt er ab und an den

Micky hin. Der erste Abend bei ihnen beginnt mit einer genuschelten Ansage des

Organisten: „Meine Damen und Herren, die Raben begrüßen ihnen und wünschen

sie einen netten Tanzabend.“ Danach stellt er sein Mikrofon aus und spricht mehr

oder weniger nur für die anderen Musiker hörbar weiter: “... Ihr blöden Schweine!“

Jener berichtet dann im Hergang des Abends von seiner musikalischen Hauptbeschäftigung

als Friedhofskapellenorganist in diversen Magdeburger Begräbnisstätten.

Ganze elf Beerdigungen habe er an diesem Tage musikalisch umrahmen

und sich so richtig die Taschen beim »VEB Tod« füllen können. Der Bassist Fritze

Hausmann, eigentlicher Kontrabassist beim Städtischen Orchester Schönebeck, rügt

Micky wegen seines Erscheinens in nicht abgesprochenem Bühnenoutfit. (schwarze

Hose/rotes Hemd waren verlangt) Erneut ermahnt er diesen, als er nach der ersten

Tanzrunde sich an den Musikertisch im Gästeraum platziert. Die Gesetzmäßigkeiten

der Künstlergewerkschaft ließen erst nach 23:00 Uhr ein zwanzigminütiges Pausieren

zu. Nur zum Austreten dürfe er seinen Platz verlassen.

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