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Auf der nächsten Probe hat Klaus eine Idee. Da er um die Vorzüge von Nylonsaiten
weiß, er übt auf einer damit bespannten Konzertgitarre, zieht er sich einen Satz
dieser leicht greifbaren und umgänglichen Spezies auf seine Elektrogitarre. So
verspricht er sich eine Steigerung seiner spielerischen Fertigkeiten. Er stöpselt das
Instrument in den Verstärker und zeigt sich perplex, als der Lautsprecher keinen Ton
von sich geben will. Auch ein bis zum Anschlag aufgedrehtes Volumen bringt keine
hörbaren Ergebnisse. Bald schon klärt sich die Ursache. Um die Tonabnehmer auf
ihre Funktion zu überprüfen, klopft Micky mit einem Schraubendreher an diese. Es
kann nur an der Besaitung liegen. Diese ist nun einmal alles andere als magnetisch.
Die Tonabnehmer waren nicht in der Lage zu reagieren. Es war eben ein Versuch.
Mit einem tragbaren vierspurigen »Telefunken«-Tonbandgerät, konservie-ren sie
im Frühjahr ihre aktuellsten Eigenschöpfungen. »Farn Country«, »My Love Is So
Woman« und »Brother Stand Up!«. Letzterer wird, und das ist neu bei BRAIN, in
zwei Versionen eingespielt. Eine so genannte »Single-Fassung« mit dreieinhalb
Minuten Spieldauer, sowie eine »LP-Version« mit einer Länge von fast zehn Minuten.
Bei letzterer driftet die Band während des ausgedehnten Mittelteils in experimentelle
Gefilde ab. Die drei kotzen sich musikalisch ungewaschene Abartigkeiten von der
Seele. In der Druckkesselatmosphäre des Probekellers gerät hierbei ihre Musik aus den
Fugen. Durch anarchistisches Treiben gleicht sie einer Art Selbstentzündung. Volker
begnügt sich mit Kommentaren seiner Toms. Klaus bearbeitet die Gitarrensaiten
mit einem Schraubendreher. Micky experimentiert mit einem Gegenpolmagneten
an den Tonabnehmern seiner Gitarre. Durch die Abstandsveränderung erzeugt er
einen pfeifenden und jaulenden Sound. Hierbei wirkt ein zusätzliches interstellares
Feedback als künstlerischer Katalysator. Es entstehen ungestüme, blutrünstige und
trunkene Töne atonaler Natur.
Volker E.: „Manchmal war es schon die Hölle.“
Im Rausch der Sinne versinken sie allmählich in einen eigentümlichen Zustand. Sie
scheinen vom Kalender der Menschen abgeschnitten zu sein. Die Wände des Waschkellers
scheinen in eine unendlich ferne Perspektive zurückzuweichen. An ihre Stelle
tritt eine farbenprächtige Märchenwelt. Eine tropische Fata Morgana.
Klaus, Volker und Micky hören täglich intensiv Radio. Die beliebtesten Programme
des NDR 2, ihrer favorisierten Radiostation, sind der »Fünf-Uhr-Club«, »Musik vor,
bzw. nach der Schule«, und der »Treffpunkt«. Immens interessiert zeigt man sich
an deutschen Bands wie EULENSPYGEL, GURU GURU, MISSUS BEASTLEY,
KRAAN, TON STEINE SCHERBEN und EMBRYO. Sie schneiden auf ihren
Bandgeräten deren Titel mit, um sie sich dann regelmäßig und untereinander
auszutauschen.
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