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Diese Zeremonie wiederholt sich einige Male, dann wollen
sie ihm ihren vor der Tür stehenden »Ural«, einen riesigen
russischen LKW, verkaufen. Dessen Motor konsumiert auf
einen Kilometer sage und schreibe einen Liter Benzin. Ein
Bandbus für dreitausend Mark. Irgendwann ist das alles zu
viel für ihn und Micky treibt es an die frische Luft. Doch die
tut ihm alles andere als gut. Hier läuft ausgiebig sein Magen
in den Mund und von dort heraus. Der russische Soldat
hält ihm hierbei die Haare von hinten fest, um sie vor einer
Kontamination durch den Auswurf zu schützen. Einige Zeit
später wankt Micky wieder zum Tischplatz zu-rück. Als sei
nichts gewesen, nippt er schon wieder am Bier. Er spürt nicht
den fassungslosen Blick der Gästeschaft. Was wissen die denn
schon von den klischeehaften Allüren eines Rockgitarristen.
U. Münchow,
Sommer 1974
Seine Jacke ist besudelt mit frischem Erbrochenem und in den Mundwinkeln und
langen Haaren kleben Wurst- und Krautsalatpartikel, Ingredienzien des Abendmahls.
Zusammen mit dem neu hinzugekommenen Saxophonisten Rainer Schulz, den
Micky bei einem Konzert des »Jugendblasorchester Schönebeck« ansprach, proben
die fünf nun im Jugendcafé »Treff« in folgender Besetzung:
Rainer Schulz
ts
Udo Münchow keys, voc
Micky Hennemann g
Ronald Glatzel bg
Klaus Wehrmann dr, voc
Hier spielt man Altkompositionen wie »Nur einen Augenblick«, aber auch ein schlagerlastiger
Titel, die Münchow-Schöpfung »Die Nacht ist nicht zum schlafen«,
entsteht. Außerdem beginnt man Titel wie »Nights In White Satin«, »Angie« oder
»Lady In Black« zu kopieren.
Die Band passt hier zu den Proben nicht auf die kleine Bühne und baut sich links von
ihr auf der Tanzfläche auf. Die Bassdrum rutscht auf dem gebohnerten Parkett stetig
nach vorn. Klaus holt sich einen Tisch, den er verkehrt herum vor seine Pauke legt.
Als nächstes schleppt er zwei Feuerlöscher aus der Küche heran und stellt diese als
Gewichte auf die Tischplatte. Es funktioniert. Zum Feierabend bringt er sie allerdings
nicht ordungsgemäß zurück, sondern positioniert sie links und rechts der Bühne.
Und dieser Umstand verursacht während des nächsten Diskoabends ein Fiasko:
Wie immer sitzen einige Jugendliche unmittelbar vor dem DJ auf dem Bühnenrand
und irgendjemand schlägt mit der flachen Hand im Rhytmus der Musik auf den
Auslösehebel des einen Schaumlöschers mit. Im Vorfeld hat ein Bösewicht den
Sicherungsstift entfernt und so wird nach einem Weilchen recht außergewöhnlich.
Denn druckvoll drängt es jetzt den Inhalt aus dem roten Metallzylinder.
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