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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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1974: Gottes Vieh

Zu dieser Zeit kommt Micky, in Gestalt eines FELIX MEIERHOF, erneut mit

Jörg Schnitzeler zusammen. In puncto Avantgardemusik funken sie auf einer

musikalischen Wellenlänge. Die zwei produzieren schon bald ihre gemeinsamen

Werke wie »Der Griff zum Schalter«, »Bewegungsarmut« und »Sternartikulationen

mit gemeinsamen Punkten«. Die Titel entstehen in Jörgs gesamten Wohnbereich.

In jedem Zimmer befindet sich ein Akteur sowie ein Mikrofon. Die »Zentrale« ist

ein selbstgebautes Mischpult im Kinderzimmer. Hier laufen die Signale der fünf

bis sechs Aufnahmequellen zusam-men und werden in ein Tesla-Stereotonbandgerät

weitergeführt. Jörgs Bruder ist mit seiner Mutter verreist, man fühlt sich ungestört.

Thomas G.: „Irgendjemand pinkelte in die Badewanne und zog die Klospülung,

während ein Anderer sich im Esszimmer an den Saiten des Pianos vergriff. Im

Flur bearbeitete ein Weiterer das Türglockenspiel, in der Küche wurde mit Töpfen

geklappert und auf der Wasserkesselpfeife geblasen und im Schlafzimmer ein Wecker

aktiviert. Das war ihre Musik.“

Sehr genau weiß Micky, dass die Avantgarde musikalisch keine Dauer-lösung ist.

Da kommt es ihm gerade recht, als Ex-Bassist Glatzel und dessen Kol-lege vom

Abendstudium, ein Keyboarder namens Udo Münchow, Kontakt auf-nehmen.

Zusammen mit Klaus Wehrmann soll er in einer sich neu formierenden Gruppe

mitwirken. Man ist einverstanden. Nun werden regelmäßig »Verhandlungen« im

Salzelmener Restaurant »Am Schwanenteich« abgehalten. Bassmensch Grimpe

bleibt erneut außen vor.

Ecki G.: „Und wieder einmal ließen sie mich hängen.“

Klaus und Micky müssen einen Kompromiss eingehen, denn Ronnie und Udo halten

mit ihrer Vorliebe für die so genannte Oldiemusik nicht hinter dem Berg. Über

einen neuen Namen wird man sich nicht einig und Vorschläge wie »Pharao« werden

schnell wieder verworfen.

Während einer dieser Zusammenkünfte, sie lässt sich nur mit »Gelage« umschreiben,

wird es Micky so richtig übel. Irgendjemand am Nachbartisch lässt seine Hochschätzung

für eine Rockband erkennen und einiges an Bier und Kurze dieser zukommen.

Am Tresen stehen ein russischer Feldwebel und ein Soldat und jedes Mal wenn

Micky zur Toilette und an diesen vorbei muss, prosten sie ihm freundlich zu. Als

er das dritte Mal vom WC kommt, drücken ihm die Rotarmisten einen Drink in

die Hand. „Idjosch drug poidjomtje pietsch schto gramm!“ ist die Aufforderung mit

der sie ihn anstiften, das Glas mit ihnen in gleicher Ex-und-Hop-Manier zu leeren.

»Schtogramm« definiert hierbei das Fassungsvermögen des Glases. Einhundert

Milliliter Wodka rinnen während einer innigen und brüderlichen Umarmung Mickys

Speiseröhre abwärts.

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