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Der Diskjockey thront hinter zwei zusammengeschobenen Klavieren an der Fensterseite
des schlauchförmigen Raumes. Ihm gibt Micky eine kleine Magnetbandspule mit
der Bitte sie doch einmal abzuspielen. Inspiriert durch JIMI HENDRIX zerpflückte
er die Nationalhymne der DDR in gleicher Manier. Seine Gitarre jault, pfeift und
brummt mehr oder weniger floskelhaft die Auferstanden-aus-Ruinen-Melodie.
Somit verschaffen sich unsere »Provinzler« die nötige Reverenz. Wenig später tanzt
Micky Haut-an-Haut mit einem Girl names „Hippie-Hesse“ aus Leitzkau. Es läuft
BOB DYLANs »It‘s All Over Now Baby Blue«. Zu später Stunde schlägt irgendwer
einen Szenewechsel vor. Recht angetrunken wie auch lustig machen sie sich auf, ein
anderes Extrem zu besuchen. Das »Kinder-Café« im Breiten Weg mutiert an den
Wochenenden zu einer reinen Tanzdisco mit entsprechender Musik und Gästeschaft.
Hier trägt niemand alte, geflickte Röhrenjeans und schmuddelige Shirts. Das Bild
bestimmen modische Trompetenhosen mit Bügelfalten und Umschlag. Die Haare
nicht zu lang, dafür abgestuft und frisch toupiert. Das Ambiente sparsam intellektuell.
Auf dem Weg dorthin muss sich der taumelnde Ronnie an einem Laternenpfahl
festhalten. Dabei fällt sein Blick in den daran angebrachten Papierkorb. Aus diesem
holt er eine größere Tüte unbekannten Inhalts heraus und schleudert sie auf den
Gehweg. Gehörig nimmt er Anlauf und tritt dagegen. Sein Jesus-Latschen fliegt
im hohen Bogen vom Fuß. Unzählige Papierschnipsel flattern jetzt über einen
wild mit den Armen rudernden Ronnie. Doch dieser Hergang wird zufällig von
zwei Volkspolizisten samt Hund von der anderen Straßenseite her wahrgenommen.
Bald darauf stellen sie Ronnie zur Rede. Er muss unter Beaufsichtigung die Affäre
bereinigen, was selbstredend mit einigen Problemen verbunden ist. Die Gesetzeshüter
müssen sich in der Tat das Lachen verkneifen, als Ronnie versucht die Papierfetzen
zu ergreifen und hierbei immer wieder die Balance verliert. Schließlich erhält er den
aktiven Beistand seiner Kumpels, denn irgendwann wollte man letztlich irgendwohin.
Endlich am »KiKa« angekommen, wird ihnen der Zutritt untersagt. Mit besoffenen
Gammlern wolle man hier nichts zu tun haben. Nach vehementen Schimpfattacken,
Ronnie ist hierbei der Lauteste, laufen sie resigniert zum Hauptbahnhof. Mit dem
letzten Zug nach Schönebeck, im Volksmund »Lumpensammler« genannt, geht es
dann wieder heim.
Klaus W.: „Wir sähen aus wie von der Asche und bekamen keinen Zutritt.“
Im Anschluss der nächsten Probe wollen Ronnie, Klaus und Micky dem »Stadtpark«
einen Besuch abstatten. Dessen Türen sind jedoch geschlossen, genauso geschlossen
wie die heute hier stattfindende Veranstaltung. Nichts mit Jugendtanz. Sie traben
weiter zum Kulturhaus. Doch ebenso Fehlanzeige. Eine Messe irgendwelcher
Lehrlinge aus der Gastronomie findet hier statt. Dennoch zeigen sich die drei an dieser
interessiert. Sie schlendern an Ständen vorüber, die diverse Menüs und Gerichte zum
Inhalt haben. Exponate wie Taubenfrikassee in Joghurtsoße, Fleischklößchen am
Spieß oder gerollter Kaninchenbraten, sind dicht umlagert.
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