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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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Angeblich gab es zahlreiche Beschwerden darüber, dass hier Fürchterliches los sei.

Bei diesem Radau könne niemand schlafen. Dies sei keineswegs Radau empörten

sich die Musikanten und Fips Fleischer begann ein Solo zu trommeln. Nach

wenigen Takten wurde er durch die Polizisten von seinem Schlagzeug gezerrt und

verhaftet. Die Zeit bis zum frühen Nachmittag verbrachte Herr Fleischer dann in

Untersuchungshaft.

In Unkenntnis dieser Probleme beginnt der dreizehnjährige Micky sich im genügsamen

Maße mit Politik zu beschäftigen. Natürlich ist er gegen den Krieg in Vietnam,

das ist schließlich der Protest der Zeit. Und irgendwann kommt ihm eine

Idee für einen denkbaren Text: „... langsam senkt sich der Helikopter, und die Erde

steht in Flammen. Ein kleines Mädchen rennt auf seine Mutter zu, brennend und

schreiend. Wieso ist da eine amerikanische Flagge auf dem Helikopter und kein

Hakenkreuz?“ Politiker sind alles Lügner! So viel weiß er bereits. Da kann ihm auch

der Staatsbürgerkundeunterricht nichts vormachen. Und so wandelt er eine hier gern

gebrauchte Losung ab: »Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus. Im

Sozialismus ist es genau umgekehrt.« Dürfte er schon an die Wahlurne, so würde er

mit einem dicken Filzstift »Keiner von Allen!« auf den Stimmzettel setzen.

Eines Samstagabends kommt es bei den Hennemanns fast zu einem Brand in der

Wohnstube. Zwischen TV-Gerät und Steckdose ist ein sogenannter Stromregler geschaltet.

Mit seiner Hilfe kann manuell ein Spannungsabfall im Netz ausgeglichen

werden. Denn oftmals sinkt diese an den Wochenenden bis auf 110 Volt, schlussendlich

bricht das Fernsehbild zusammen. Vater Hennemann schraubt dann den Regler bis

zum Anschlag nach rechts. Das arme Gerät ist natürlich überlastet und wird mehr als

heiß. Dieses Mal schlagen sogar kleine Flammen aus dessen Lüftungsschlitzen. Es

gibt auf. Das Familienoberhaupt wirft den Regulator aus dem Fenster in den Hof.

Die Fernsehlandschaft in Schwarzweiß ist mehr als trist. Ein »Ost«- und drei

»Westsender« können ausschließlich empfangen werden. Bei einem Spielkameraden

eingeladen, soll Micky über die TV-Programmwahl entscheiden. »Beat-Club«

und »Meister Nadelöhr« laufen des Samstags zeitgleich. Micky wünscht die

Märchenkindersendung zu sehen. Dieser Umstand wird sich in den kommenden

Monaten umkehren. Mit regelrechter Euphorie wird er diese TV-Show der ARD

konsumieren. Vorausgesetzt er gewinnt den Kampf mit dem Vater hinsichtlich der

Kanalwahl. Ansonsten geht er dann eine Treppe höher. Hier sitzt die gutmütige

Großmutter beim Kaffeekränzchen mit zwei, drei lieben Tanten. Dort starrt er dann

wie gebannt fünfundvierzig Minuten auf den Bildschirm. Im Hintergrund hört er

Kommentare wie: „…Herrjeses, diese langen Haare!“ oder „Mach nicht ganz so

laut!“ Durch diese Sendung, in der die Bands vorwiegend live auftreten, entwickelt

sich sein musikalischer Geschmack. Artrockbands wie YES, COLOSSEUM oder

MAN lösen hierbei den kommerziellen Beat ab. Sie erwecken in ihm das Interesse

am Experimentellen und Außergewöhnlichen.

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