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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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1978-80: Team 77

Willi V.: „Er wusste nicht wer, noch wo er war.“

Die Band hat immer etwas zu trinken. Schon während des Aufbaus. Die Sängerin

sagt Wirt und Kellnern Guten Tag und bringt bei dieser Gelegenheit gleich das erste

Tablett Bier auf die Bühne. Häufig werden »Tanzsoli« für fiktive Personen gegeben.

So wie fast in jeder Stadt eine Bahnhofstraße existiert, befindet sich mit größter

Wahrscheinlichkeit auch ein Herr Meier im Publikum. Mit den Worten: „Und nun

ein Solo für Herrn Meier und seiner bezaubernden Partnerin!“ dreht das soweit

vorhandene Pärchen einige Runden im Kreise. In diesem Moment pausiert die Schar

der Tanzenden und klatscht den Rhythmus mit. Unter Gebrauch des Befehls: „Und

nun alle!“ geht es wie gewohnt weiter. Schon bald tritt unser Herr Meier an den

Musikertisch: „Wer hat denn das Solo bestellt?“ Die Musiker geben vor, es unter

keinen Umständen verraten zu dürfen. Hierauf nimmt Herr Meier mit der Frage:

„Was wollt ihr denn trinken?“ deren Bestellung entgegen. Auf seine Rechnung.

Am 30. Juni 1978 findet im »Schwarzen Bären« in Großmühlingen eine

Schulabschlussfeier statt. Das Team ist vor Ort. Micky trägt eine weiße Hose, kürzlich

erstanden in im Magdeburger »Exquisit«-Geschäft. Und er sitzt heute hinter den

Trommeln, der Schnippler hat anderweitig zu tun. Die Bühne ist dreckig, es stinkt

nach Vogelkot. Und ja, beim Aufbau des Schlagzeugs vernimmt er ein Gegacker.

Kein Wunder, kann er doch zwischen den Dielenbrettern schauen und unter der

Bühne mehrere Hennen erkennen. Der Hühnerstall des Gasthofs. Kurz darauf passiert

ihm ein Malheur. Die drei Beine des Hockers auf dem er sitzt, lösen sich aus

ihrer Verankerung. Sie machen im wahrsten Sinne des Wortes eine Grätsche. Micky

stürzt in die Horizontale. Seine Hose erscheint nun nicht mehr ganz so weiß. Mit

einem Stück Draht flickt er den Schemel. Doch dieser zerreißt kurz vor Mitternacht.

Hinter seinen Trommeln fällt Micky erneut in den Dreck.

Eine gleichfalls neue Erfahrung für Micky ist es, die Titel direkt vom Tonbandgerät

»herunterzuschreiben«. So auch den aktuellen Song einer BONNIE TAYLOR: »It‘s

A Heartache«. Während er nach zwei Takten C-Dur ein E-Moll über den Text der

ersten Strophe geschrieben hat, zweifelt Bandchef Hübsch diese Harmoniefolge an.

Es wäre schließlich nicht E-Moll, sondern G-Dur. Da die Gesangsmelodie zu beiden

Akkorden passt, lässt Micky der sich hundertprozentig sicher ist, die Kollegen zu

Wort kommen. Bis auf Erwin finden allesamt das E-Moll passender. Dieser gerät

nun aus dem Häuschen. Schrof und sichtlich erregt, beginnt er in seiner Brieftasche

herumzufingern. Zwischen Betriebsausweis und Kfz-Stem-pelkarte zieht er ein

lappiges und verblichenes Dokument hervor. Das hält er den Anderen nun unter die

Nasen. Immerhin habe er Anno 1959 einen einwöchigen Kapellenleiter-Intensivkurs

an einer Musikschule absolviert. Mit Bravour. Und dort habe man ihm unter anderem

beigebracht, dass gefälligst ein G-Dur nach einem C-Dur zu kommen habe. Micky

widerspricht mit der Bemerkung, dass sich doch in den letzten zwanzig Jahren einiges

im Musikgeschäft geändert hat. Bald schon sieht Erwin es ein, denn immerhin habe

er den Sohn eines Musikdirektors vor sich.

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