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Das Wurftaubenobjekt gehört zu diesem Betrieb und schnurstracks und
pflichtbesessen informiert der Turmwächter telefonisch seine Kollegen. Während
der Ofen wieder wohlige Wärme spendet und die Band sich in ihre Musik versenkt
hat, tritt ein heftig eingeschneiter Werkswachmann zur Tür herein. Nachdem er die
Jungs begrüßt hat, erbittet er sich Auskunft über den von ihnen in aller Finsternis
transportierten Gegenstand. Die Sache klärt sich auf. Man hielt, es ist schwerlich
zu glauben, die Aktion für eine kriminelle und den Kohlensack für ein mögliches
Opfer. Jetzt, nachdem die Musikanten ihre Unschuld bewiesen haben, bieten
sie ihrem Besucher einen für diese Jahreszeit angebrachten Grog an. Der sich in
durchgefrorener Verfassung befindliche Schutzmann lehnt auch keineswegs ab. Nach
einer guten Stunde begibt er sich wieder retour, um ja nicht den kurz bevorstehenden
Schichtwechsel zu verfehlen.
Gelegentlich lud der mit einigen Offizieren der in Salzelmen stationierten
sowjetischen Garnison befreundete Sektionsleiter der Sportschützen diese in sein
Privatbüro. Auch dieses Mal ist es wieder soweit. Einem Militärjeep entsteigt ein
prächtig beleibter russischer Oberst. Der Fahrer, ein untertäniger Sergeant, trägt
eine Kiste der raren und heiß begehrten Biersorte »Pilsener Urquell« in das Büro.
Der Tontaubenoberschütze gibt Micky & Co. zu verstehen, von jedweder Störung
seiner »Geschäftigkeit« abzusehen und den Lärmpegel in Grenzen zu halten. Dann
verschließt er hinter sich die eherne Feuertür. Der Fahrer muss sie bei bitterböser
Kälte im Jeep verbringen. Gute zwei Stunden später öffnet sich die Bürotür und
heraus kriecht der Gastgeber auf allen Vieren. Mühevoll macht er deutlich, man
möge doch den Sergeanten hereinholen. Der Abtransport des in der Hinterstube, im
eigenen oralen Auswurf, liegenden russischen Abgesandten müsse jetzt erfolgen.
Der rein physisch überforderte Soldat erhält die tatkräftige Hilfe der Musikanten.
Stöhnend vor Anstrengung schleppen sie zu viert den bestimmt dreieinhalb Zentner
wiegenden Menschenkörper zum Fahrzeug. Mit Schwung und so richtigem Anzählen,
werfen sie ihn kurzerhand durch die geöffnete Hecktür des Wagens. Dieser
geht beträchtlich in die »Knie«. Nun schlägt sein Sauf-aus-Genosse torkelnd und
mit immenser Wucht die Blechtür zu. Der Karren setzt sich in Bewegung und zum
Abschied kräht er hinterdrein: »Doswidanje, das nächste Mal wird es noch schöner!«
Überhaupt nicht schön wird es für die Band, als man deren Machenschaften
aufdeckt. Die Inventarliste der Spirituosen weist ein recht beträchtliches Defizit zu
den real existierenden Lagerbeständen auf. Zu allem Überfluss gibt die hauseigene
Verstärkeranlage nicht nur ihr letztes, sondern auch den Geist auf. Mit der Androhung
die »Scheißkapelle vor den Kadi zu ziehen« werden sie im Februar des Hummelbergs
verwiesen. Mickys Meinung über den Sektionsleiter: „Erst machte er uns Mut und
dann zur Schnecke.“ Für Bedauern und Reue gibt es scheinbar in seiner Existenz
keinen Platz.
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