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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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1983: Team 77

Zehn Minuten später führt der Kapellenleiter leicht angeekelt die Klinge über seine

Wange.

Am 19. November arbeitet TEAM 77 das erste Mal mit einem P.A.-

System. Nun werden die einzelnen Instrumente nicht mehr an diverse

Verstärker gekoppelt. Man überträgt sie nun mittels 12-Kanalmischpult gemeinsam

über Endstufen und Boxen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten

bekommen sie die neue Technik in den Griff.

Nicht »in den Griff« bekommt Jörg Schnitzeler sein junges, achtundzwan-zigjähriges

Leben. Diesem setzt er am 30. November ein Ende. Das Elternhaus zerrissen. Den

geliebten und älteren Bruder zu früh verloren. Seine Gesundheit seit Kindestagen

in Mitleidenschaft gezogen. All dies trägt großen Anteil an seinem Seelenschmerz

und seinen Depressionen. Originalton: `Das Leben tut weh. Wenn du stirbst, ist der

Schmerz zu Ende.´ Die Welt um ihn herum bricht zusammen; er hält es wie ein

Aal in seinen Händen: Das Leben, zudem man ihn so kaltblütig gezwungen hatte.

Die labile Mentalität des Drummers Manfred Schulz erreicht jetzt auf einigen

Veranstaltungen ein nicht mehr vertretbares Ausmaß. Bereits vor den Auftritten

spricht dieser in unbeschreiblicher Weise dem Alkohol zu. So auch beim Auftritt

im altmärkischen Seehausen. Späte Stunde. Marschpottpourie. Trommler Schulz ist

mächtig angeheitert. Er beginnt zu singen: „Tschia tschia tschia tscho, Käse gibt

es im HO. Lange Schlange musste stehn, aber Käse kriegste keen.“ Er geht noch

weiter: „Wiener Blut, Wiener Blut, Wiener Blut. Steck ihn rein, zieh ihn raus, das

tut gut.“ Dem Publikum gegenüber wird er so richtig ausfallend. Dem männlichen

Part eines Tanzpaares ruft er in Anspielung seiner hübschen Partnerin über das

Mikrofon zu: „Na, die haste doch nicht allein!“ Dem Erwin reicht es. Er erhebt sich

hinter seinen Tasten und marschiert fast im Stechschritt auf seinen Schlagzeuger

zu. Mit den Worten. „Hiermit beschlagnahme ich dein Mikrofon, Manne!“ schraubt

er es vom Ständer. Zu fortgeschrittener Stunde kommt er aus dem Takt und selten

findet er wieder den Einstieg. Es kommt noch schöner: Bei dem Titel »Jugendliebe«

schläft er während des Spiels wenn davon überhaupt noch die Rede sein kann,

stark alkoholisiert ein. Der Widerwille den der Organismus natürlicherweise gegen

gegorene Getränke empfindet, scheint in ihm nur einen untergeordnete Rolle

zuspielen. Micky, unmittelbar vor ihm stehend, muss sich herumdrehen, um ihn

durch mehrmaliges Anschreien aufzuwecken. Bei der nächsten Nummer eskalieren

Manfreds Kapriolen gegenüber der Band und dem erstaunten Publikum. Abermals

eingeschlafen, befindet er sich nun endgültig im Tiefschlaf. Bald schon kippt er

nach hinten ab und fällt vom Hocker. Mit offenem Mund und ausgebreiteten Armen

bleibt er liegen. Geistesgegenwärtig stellt Micky die Gitarre ab und zieht ihn

Backstage. Er zieht den Vorhang zu und setzt er sich nun hinter die Trommeln. Das

Auditorium ist verunsichert. Soll es dieses Geschehen einer bewusst inszenierten

und ausgeklügelten Bühnenshow zuordnen? Oder hat die Band nur die Gage des

Abends schon im Voraus versoffen?

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