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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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1980/81: Team 77

Micky: „Ich hielt dies für reichlich faschistoid und gehörte außerdem nicht ihrer

Gilde an.“

Unbeirrbar setzt er das Biertrinken in gewohnter Weise fort. Niemand weiß,

wann ihm seine Ehrfurcht verlorengegangen ist. Vielleicht war sie nie vorhanden.

Schon immer war er seine eigene Instanz. Sein eigenes Gesetz. Sein eigener

Maßstab. In einer eigenen Welt. Nach der Gewerkschaftspause ist man dann richtig

obenauf: Basser und Taster beides notorische Blattspieler, suchen nach erfolgtem

Zuruf von Zahlen in ihren privaten Aktentaschen. Neben den in Butterbrotpapier

eingewickelten Pausenbroten, lagern die durchnummerierten und entsprechenden

Notenblätter. Dann geht es in die nächste Runde und bei Titel Numero zwo weiß

Micky nicht im Entferntesten was hier gespielt wird. Der rechts von ihm befindliche

Keyboarder spielt einen Argentinischen Tango, während der links von ihm sitzende

Bassspieler konsequent einen English Waltz zum Besten gibt. Die ersten Takte

des avantgardistisch anmutenden Opus versucht Micky am Schlagzeug durch eine

Art individual-rhythmische Trennung seiner linken und rechten Hirnhälften zu

überbrücken. Während seine rechte Hand den zackigen 4/4-Beat auf dem großen

Ride-Becken schlägt, rührt er strikt mittels Stick in der Linken 3/4-mäßig die Snare.

Nach nahezu einer Minute einigen sich schließlich die zwei Kontrahenten auf einen

Slow Fox. Diesen Kompromiss begrüßend, kann Micky nun wieder durchatmen.

Das Missverständnis klärt sich in der nächsten Pause auf. Die dem Bassmenschen

zugerufenen Nummern 78, 101 und 724 fanden bei ihm aufgrund seiner

Schwerhörigkeit nur schlechtes Gehör. Von der »Einhunderteins« nahm er lediglich

die letzte »Eins« wahr. Aber es sollte noch dicker kommen. Während des letzten

Titels der übernächsten Runde passiert unserem Pechvogel das nächste Missgeschick.

Versehentlich tritt der ständig im Sitzen Spielende auf sein Gitarrenkabel und trennt

es folglich vom Instrument. Sich nach vorn bückend, versucht er nun die Schnur

zu ergreifen. Der große Halbresonanzbass vor seinem noch größerem Wanst ist

ihm hierbei überaus hinderlich. Irgendwie und vor allem irgendwann bekommt

er den Stecker zu fassen und versucht ihn wieder einzustöpseln. Wahrlich kein

leichtes Unterfangen, das kleine Buchsenloch zu finden und verzweifelt fingert er

weiter. Zu keinem Resultat kommend entschließt er sich, die restlichen Takte des

Titels in bizarrer Weise mitzuspielen. Mit dem Daumen berührt er in rhythmischen

Abständen den in seiner rechten Hand befindlichen Klinkenstecker und verursacht

eine Masseverbindung zum angeschlossenen Verstärker. Die so erzeugten kurzen

Töne verleihen der Musik ein skurriles Ambiente und er schlägt sich bis zum Ende

der Nummer durch.

Am 23. Februar 1980 will die Band zu einem Gig nach Wolmirsleben. Als Saxophonist

Schulz zusteigt, beklagt sich dieser über kolossale Schmerzen im Magenbereich; will

aber die Show durchziehen. Während des Aufbaus geht es ihm zusehends schlechter.

Später bei der dritten Tanzrunde, stellt er das Instrument ab und zieht sich hinter den

Bühnenvorhang zurück.

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