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Zurück kann er nicht mehr, nach Hause darf er nicht. Ein kleiner untersetzter Major
und ein bohnenlanger Hauptmann steuern jetzt auf ihn zu. Nachdem Micky sich
vorgestellt hat, spricht mit seiner Fistelstimme der Fettlaibige seinen Kollegen an:
„Willst du ihn nehmen?“.Der schüttelt sein Haupt und meint er bräuchte kleinere
Kerle für die BMPs. „Dann bleibt er eben bei mir.“ entgegnet der Major. Micky
versteht Bahnhof. Letztendlich stellt sich heraus, dass er ab sofort in eine 82mm-
Granatwerferbatterie integriert ist. Der Hauptmann ist der Chef der 8. Mot.-
Schützenkompanie und sucht für seine Schützenpanzerwagen Soldaten kleineren
Wuchses. Major Wanwitz hingegen, ist der Batteriechef. Und der macht ihn auch
gleich zum Richtkanonier.
Bald schon kreist in der Batterie ein Gerücht. Regimentsalarm in aller Frühe ist
das Stichwort. Soldat Hennemann will es wissen und geht am Vorabend in fast
vollständiger Gefechtsausrüstung zu Bett. Sogar die Waffenkarte hält er während des
Schlafes in seiner Hand. Die Kameraden auf der Stube zeigen sich mehr als erstaunt.
Pünktlich um 4:30 Uhr beenden Sirenen die Nachtruhe. Ununterbrochen schreit der
UvD „Batterie! Gefechtsalarm!“ Und da ist Micky schon auf dem Flur und steht vor
der Waffenkammer. Als Erster. Hier ruft er nach dem Spieß. Er will seine AK-47.
Sofort. Entsprechend ist er der erste Soldat des gesamten 3. Mot.-Schützenregimentes,
der kampfbereit auf weitere Befehle wartet. Die Gefährten finden nicht die Zeit ihren
Urin abzuschlagen, er jedoch gestattet sich eine außerplanmäßige Morgentoilette.
Der Zugführer macht recht große Augen, als er Micky im Waschraum vorfindet.
Denn der betreibt hier eine intensive Zahnpflege und die Bürste noch im Mund
habend, erfolgt seine Rechtfertigung. Mit Mundgeruch dem Feind gegenüberstehen?
Nicht bei ihm.
Mit einigen Kameraden muss Micky zum Divisionsstab nach Potsdam-Eiche.
Wachdienst für eine Woche. Es sind die Tage um das Weihnachtsfest. Am 21.
Dezember bekommt Micky gehörige Schmerzen. Ein ruinöser Backenzahn, der
am Vortag in zwei Hälften zerbrach, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Mit einem
Militär-Sanitätsfahrzeug kutscht man ihn ins NVA-Zentrallazarett Potsdam. Im
Behandlungszimmer erwartet ihn der Armeearzt. Ein bulliger Hauptmann: Stiefel,
Schmetterlingshosen, weißer Kittel und Schirmmütze. Nachdem der ihn in den Stuhl
gedrückt hat, schreit er: „Mund auf!“ Er sieht das Desaster und nimmt auch gleich die
Zange zur Hand. Micky hat keine Chance sich eine Betäubungsinjektion zu erbetteln.
Kaum das der Zahnarzt mit seinem rechten Bein auf Mickys Brustkorb kniet, beginnt
er auch schon sein infernalisches Werk. Der verängstigte Patient wird immer kleiner
während der Stomatologe zerrt und zieht, ruckelt und reißt. Mit errötetem Gesicht und
Schweiß auf der Stirn wirft er mit lautem Geräusch den Zahn in eine Nierenschale.
Während der Heimfahrt bittet Micky seinen Fahrer, einen Unteroffizier, kurz an einer
Kaufhalle zu halten. Er bräuchte etwas Schmerzstillendes. Mit einer großen Flasche
»Timms Saurer«, versteckt unter seiner Uniformjacke, kehrt er in die Kaserne
zurück. Die kommende Nacht verbringt er seine Wache im KDL-Gebäude.
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