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1973/74: Gottes Vieh
Sie schrien vor Freude und schlugen sich wild auf die Schenkel. Jetzt setzte Ecki an,
um Klaus zu überholen. Er legte sich förmlich in die Kurve. Wie ein Henker. Doch
nun verlor ein Rad die Bodenhaftung und schließlich das Ganze seine Balance. Der
Karren stürzte um und Klaus gebührte der Sieg. Weniger beschadet als das Gefährt,
kam sein Lenker davon.
Jetzt packen sie ihre sieben Sachen und an anderer Stelle wieder aus. Klaus
organisierte einen Kellerraum seiner Schule. Sie ziehen am 10. Oktober in den
Klubkeller der »Salvador-Allende-Schule«. Ex-Bassist Grimpe übernimmt die
Ausgestaltung der Räumlichkeit. Der Schriftzug ihres Bandnamens verärgert den
schon ohnehin recht intoleranten Direktor. Es kommt wiederum zum Meinungscrash
und zum daraus resultierenden Verlust des Domizils. Micky kann nicht verstehen,
was er nicht verstehen will. Er ist angewidert von den vielen Schlips-und-Kragen-
Spießern, für deren Tun er keinerlei juristische Definition finden kann. Denn heimlich
begehren sie, was sie öffentlich verachten. Jene philiströse Umgebung tat
ihm schon immer leid. Unter allen Kindern Adams sind sie die einfältigsten. Nur
mit Menschenhaut überzogen. Zu nichts anderes in der Lage, als Sauerstoff in
Kohlendioxid umzuwandeln. Eine bedingungslose, hündische Ergebenheit spricht
aus ihren Blicken. Der unterwürfigste Gehorsam.
Bei einem feuchtfröhlichen Umtrunk in der Gartenkneipe »Spatzenfalle«, gleich
neben dieser Schule, lernt Klaus Wehrmann am 11. November den Sektionsleiter
des Tontaubenschießverein Schönebeck kennen. Hellauf begeistert, er ist
permanenter ELVIS-Fan, gibt er ihnen eine Chance. Bald schon wird Gottes Vieh in
der »Kulturbaracke« des Schießstandes auf dem Hummelberg ansässig.
Dem jetzt die Abendschule konsultierenden Ronnie gefallen die abendlichen Proben
nicht mehr so recht. Es hilft kein Klagen und man einigt sich gütlich und Ronnie
verkauft seine Bassgitarre an Ecki Grimpe.
Der Winter ist ins Land gezogen. Bassist Grimpe braucht entsprechendes Schuhwerk.
Seine Jesuslatschen wären doch nur etwas für die wärmeren Monate. Meint seine
Mutter. Sie ist es, die ihn bei der Hand nimmt und in ein Salzelmener Schuhgeschäft
führt. Hier möge er sich doch etwas Angebrachtes aussuchen. Recht erstaunt zeigt
sie sich, als Eckis Wahl auf ein Paar Langschäfter, im Damenregal stehend, fällt. Es
schert ihn nicht und er stellt Mama vor die Entscheidung. Entweder diese oder keine.
Jene hochhackigen und aufgrund seiner kleinen Füße ihn passenden und bis zu den
Knien reichenden Stiefel werden zur permanenten Komponente seiner Erscheinung.
Und das nicht nur des Winters.
Später Heiliger Abend 1973, die Bescherung ist Geschichte. Micky Hennemann und
Klaus Wehrmann stehen vor Ecki Grimpes Tür in der Leipziger Straße. Fragend
schaut dieser aus dem Fenster. Daraufhin bringen sie ihm ein Weih-nachtsständchen
und singen »Kommet ihr Hirten«. Man wolle noch etwas erleben, doch ist das an
einem Tag wie diesem ein recht schwieriges Unterfangen. Dennoch marschieren
sie durch das verschneite Salzelmen bis zur Johanniskirche. Hier findet gerade die
Mitternachtsmette statt, der sie eine halbe Stunde beiwohnen.
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