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1977: Die Armee
Die löste den Schlagbolzen aus, welcher den Zünder des Sprengkörpers aktivierte.
Und der schoss aus dem Rohr und schlug direkt vor den Kanonieren auf, um dann
mittels Aufschlagzünder zu explodieren. Alle waren im Bruchteil einer Sekunde tot.
Ein gewisser Heinz Ewers, Achtklassenschüler aus Magdeburg-Rothensee, ist einer
von Mickys Stubengenossen. Und diesem spielt er auch einen hundsgemeinen
Streich. Vor einigen Tagen versah Soldat Hennemann seinen nächtlichen Wachdienst
im Bereich des Fuhrparks. Hier stieß er auf einen außergewöhnlichen Fund. Es ist
ein recht unübliches Gefäß, das die Fahrer des Regiments zum Anrühren von Farben
benutzen. Dienlich zur Ausbesserung des Lackes ihrer Gefechtsfahrzeuge. Ein
M40. Ein Stahlhelm der Deutschen Wehrmacht. Sein Äußeres rostig, sein Inneres
recht bunt. Micky zeigte sich begeistert und nahm in mit ins Wachlokal. Es war
ein Sonntagnachmittag, als die abgelöste Wachmannschaft die Bataillonsstraße
heruntermarschierte. Micky rotzfrech mit der falschen Kopfbedeckung. Von links und
rechts Pfiffe und Zurufe. Die Landser an den Fenstern feierten das natürlich. In der
Unterkunft versteckte er dann seine Trophäe unter dem Bett. In dieser Nacht schleicht
er sich zum Schrank des Soldaten Ewers, um dessen Stahlhelm mit der »Farbbüchse«
auszutauschen. Wohlwissend, was am frühen Morgen geschehen wird. Sirenenlärm
und schrille Pfiffe reißen die Granatwerferbatterie aus den Federn. Gefechtsalarm.
So wie seine Kameraden stürmt auch Heinz zum Spint. Erschrocken zeigt er sich,
als auf seinem Marschgepäck etwas Fremdes thront. „Was soll der Russenhelm auf
meinem Schrank!?“ Niemand kann ihm helfen. Und Micky will nicht. Er will nur das
Soldat Ewers ihn aufsetzt. Doch der weigert sich und greift zum Käppi. „So kannst
du keinesfalls heraustreten, es herrscht Helmpflicht!“ Wenig später steht Heinz mit
seinem Zug vor dem Haus. Der Hauptfeldwebel lässt die Reihen auseinander ziehen:
Überprüfung der Anzugsordnung. Als er die Angetretenen abschreitet, bleibt er
abrupt vor dem Kämpfer mit dem sonderbaren Stahlhelm stehen. Noch immer nicht
weiß sein Träger etwas über dessen Geschichte. Der Spieß hilft ihm auf die Sprünge:
„Nehmen sie die faschistische Schüssel vom Nüschel!“
Micky muss des Öfteren mit der 8. Mot.-Schützenkompanie auf Wache ziehen.
Hier erlebt er Unglaubliches. Der Wachhabende, ein blutjunger Leutnant namens
Kupke, ist hoffnungslos verloren. Die Landser spielen mit ihm Fangball. Haben die
doch tatsächlich seine Dienstwaffe entwendet. Jetzt will er sie zurück und kommt in
die Wachstube. „Olaf, gibt mir die Makarow wieder!“ spricht er einen schlaksigen,
baumlangen Kerl an. Olaf Küstner aus Berlin-Grünau. Er entspricht dem, was
der Soldatenjargon eine »Gefechtsschlampe« nennt. Saß er doch bereits bis zum
2. Diensthalbjahr insgesamt 30 Tage im Bau. Soldat Küstner erwidert nun seinem
Leutnant: “Du weißt doch, was du dafür zu tun hast, Kuppi!“ Der stöhnt, nimmt
einen Dederonbeutel zur Hand und verlässt das Wachgebäude. Nach 15 Minuten
kehrt er vom Ledigenwohnheim zurück und überreicht den nun gefüllten Beutel der
Wachmannschaft. In Dieser drehen nun zwei Flaschen »Nordhäuser Doppelkorn«
ihre Runde. Im Wachlokal entpuppt sich bald schon eine gesellige Runde.
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