20.09.2021 Aufrufe

Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1972: Steinschlag!

In einer Linkskurve am Schönebecker Ortsausgang vermag der Fahrer die Maschine

nicht mehr zu halten. Unversehens landet Micky auf dem Acker, während Günter

seinem Funken sprühenden Kraftrad hinterher schlittert. Mickys Steißbein teilt

sich in himmelschreiender Weise mit; sein Äußeres ist durch den Sturz unsäglich

verschmutzt. Dem Günter geht es bestens, der bejammert nur seine verbogenen und

zerkratzten Kotflügel und den abgerissenen Kickstarter.

Günter B.: „Statt vorher abzuspringen, suhlte sich der Hennemann noch im Dreck.“

Dem Micky ist jetzt nicht mehr nach ausgehen, doch Günter bleibt eisern. Er wolle

heute ja noch etwas Anständiges erleben. So spazieren sie wenig später in die

Kneipe des Dorfes. Deren Türsteher will Micky in seinem Aufzug nicht einlassen.

Herr Becker bietet ihm Schläge an. So verkauft er doch noch letzten Endes Micky

eine Eintrittskarte. Die HIRTEN aus Magdeburg spielen hier auf. Sie sind laut und

der Tanzsaal ist mehr als gut gefüllt. Indessen Günter am Ausschank einen halben

Liter Pils vom Fass zecht, entdeckt Micky einen älteren Herren mit langer weißer

Schürze vor der Bühne. Energisch gestikuliert er mit seinen Armen der Band zu.

Es ist der Wirt, klärt irgendjemand auf. Zum vierten Mal versucht dieser sich eine

geringere Lautstärke von den Musikern zu erbetteln. Erhört scheint er auch jetzt

nicht zu werden. So läuft er fuchsteufelswild zurück in die Kneipenküche. Wenig

später stiefelt er mit drei alten Wintermänteln unter dem Arm im Eilschritt abermals

zur Bühne. Nun steht er inmitten der Kapelle und breitet über die Lautsprecherboxen

seine Lodenmäntel aus, um sich doch noch seinen Wunsch erfüllen zu können.

Günter Becker musikalisch nie zum Zug gekommen, gibt seinen »Ausstand« in

altbekannter Manier. Am 27. September sitzt der spendierfreudige Facharbeiter

umringt von zehn, zwölf Lehrlingen in der Gaststube des Stadtparks. Untermauert

von so mancher obszönen Parole schmeißt er eine Lage nach der anderen. Während

eines außerordentlichen Gefühlsausbruchs erhebt er sich und stellt lauthals der Allgemeinheit

die Frage: „Sind wir alle Rocker?“ Spontan bejaht die nun ebenfalls

aufgestandene Runde seinen Wissensdrang. Gegenseitig prostet man sich zu. Dieses

Ritual wiederholt sich einige Male. Günter in dem das Böse erwacht ist, begleicht

die Zeche. Jetzt fordert er seine Kameraden auf, sich ihm anzuschließen. Zum

Schönebecker Bahnhof wollen sie ziehen. Die dort stationierte Transportpolizei

»aufzuklatschen«. Niemand will ihn beleidigen und so erhebt sich ein jeder. Gegen

ein Uhr morgens machen sie sich auf den Weg. Formiert wie eine Gänseschar. An

der ersten Straßenbiegung trennen sich die letzten drei Gestalten von dieser Aktion.

Ganz unbemerkt. Bald darauf verschwinden die nächsten zwei in einem dunklen

Hauseingang. Für den Rest des Zuges gibt es ebenfalls noch einige Gelegenheiten

sprich Ecken, um sich vom Vorhaben zu distanzieren. An der Bahnstation

angekommen dreht sich Günter um und stellt fest, dass nur noch Klaus Wehrmann

hinter ihm steht. Kurz entschlossen entschuldigt sich dieser mit der Bitte, vor dem

Showdown noch einmal austreten zu dürfen.

64

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!