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1975/76: Gottes Vieh
Zusammen mit dem Posaunisten Thomas Fischer, entstehen nun mit einem kompletten
Bläsersatz, weitere Kompositionen wie »Tauglich«. Micky lernte ihn an der
Magdeburger Musikschule kennen, an der er jetzt regelmäßig Kontrabassunterricht
nimmt. Die Immatrikulation an der Musikschule ist einer PKW-Anmeldung nicht
ganz unähnlich. Hier gibt es je nach Instrument, mitunter recht unerträgliche
Wartezeiten. Vier Jahre müsste Micky ausharren, um in der Tanzmusikklasse
Gitarre lernen zu dürfen. Bassgitarre ginge sofort, nur fehlte ihm ein entsprechendes
Instrument. So besorgte er sich aus dem Instrumentenpark des väterlichen Orchesters
eine »Hundehütte», eine »Oma», sprich einen Kontrabass. Zuallererst hieß es für
ihn jedoch eine sogenannte theoretische Aufnahmeprüfung zu absolvieren. Im
Rahmen dieser wurden einige Fragen gestellt, mit denen man ihm auf den Zahn
fühlen und einen Überblick seines musikalischen Verständnisses bekommen wollte.
Unter anderem ob er den Unterschied zwischen einem Kontrabass und einer Violine
definieren könne. Micky fasste sich an die Stirn, um somit die Intensität seines
Sinnens verstehen zu geben und antwortete schließlich: „Der Kontrabass brennt
länger!“ Die beiden Prüfungskommissionäre schauten sich hierauf erschüttert an, bis
alle drei in herzhaftes Gelächter ausbrachen. Micky bestand.
Immer donnerstags ist um 13:30 Uhr eine Stunde praktischer Einzelunterricht.
Micky ist um einiges desillusioniert als er hört, dass im ersten Schuljahr nur Legato,
was ausschließlich die Arbeit mit dem Bogen definiert, gespielt wird. Erst dann geht
es in Sachen Pizzicato, also der Zupftechnik richtig los. Und er wollte doch von
Anfang an gehörig jazzen. Bis zum Beginn des Theorieunterrichtes hat er noch drei
Freistunden, die er ein Buch lesend auf einer Bank im Park vis-a-vis der Musikschule
in der Hegelstraße verbringt. Sein Kontrabasslehrer Wolfgang Kirchner ist es, der
auch den theoretischen Stoff vermittelt. Hier sitzt Micky neben Klaus Wehrmann,
der immer dienstags seine Lektionen im Fach Schlagzeugspiel erhält. Der Theorie-
Klasse gehören ebenfalls Giesbert »Pitty« Piatkowsky, Gitarrist bei LIFE (später
NO 55 und CITY) und Michael Kranz, späterer Klampfer bei GATALULA und
SCHESELONG, an. Kurz vor Unterrichtsende setzt sich die Lehrkraft an den
Flügel, spielt zwei Töne und prüft seine Zöglinge in puncto Gehörbildung. Wer das
zutreffende Intervall nennen kann, darf sich erheben und Feierabend machen. Dem
Klaus Wehrmann sind diese Spielchen zuwider.
Klaus W.: „Ich kam mir vor wie im Kindergarten.“
Ihm reichen schon lange die ridikülen Rhythmusdiktate, bei denen die Musikschüler
eine vorgegebene Struktur notieren müssen, um darauf gemeinschaftlich diese mit
dem Bleistift auf der Tischplatte wiederzugeben. Mit nicht zu überhörender Häme
werden die Schüler vom Lehrer geoutet: „Na, wer wird denn heute das Solo klopfen?“
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