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1976/77: Gottes Vieh
Thomas F., Posaune: „Ich brauchte lange um zu verstehen, was man musikalisch
von mir wollte.“
Trotz der mit Matratzen abgedichteten Kellerfenster des Übungsraumes fühlen
sich die Einwohner der 200 Meter entfernten Neubaublöcke des Malzmühlenfeldes
durch die laute und chaotische Musik in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt. „Nehmt
eure Kleiderschränke bloß wieder mit!“ ruft, Bezug auf ihre Boxen nehmend, der
Kulturhausleiter. Er besteht auf die sofortige Räumung und weist Gottes Vieh den
Weg.
Aus persönlichen Gründen, Thomas engagiert sich sehr in der »GST-Motorsport«
während Frank nun eine feste Freundin besitzt, verlässt nun auch noch ein Teil des
»Gebläses« die Truppe. Wie schon einmal im Juni 1971, zieht der Rest erneut in die
altbekannte Waschküche. Die neuen Werke wie »Feel Yesterday«, »Big Muff« und
»Killing Man« werden jetzt in Stereophonie aufgenommen.
Mitte Mai 1975 bekommen die Vier noch einmal Zuwachs, dieses Mal eine »Fünfte«:
Elke Kuntschke entdeckt von Klaus und Micky, entstammt dem Bördedorf Biere. Sie
ist fortan Frontfrau und Sängerin bei Gottes Vieh. Man pro-biert sich zweistimmig
an alten Kompositionen wie »Nur einen Augenblick« oder »Fluchtversuch«, aber
nach acht Wochen verpufft diese anfänglich so viel versprechende Sache.
Bis Ende des Jahres erreicht die Formation ihren musikalischen Zenit und viel Neues
wird entdeckt und ins Leben gerufen. Dennoch muss sich Micky im darauffolgenden
Jahr einstweilen von seiner Lebensaufgabe trennen: Die unumstöß-liche Einberufung
zur Armee am 4. Mai 1976.
Die verbleibenden Drei holen sich den Gitarristen Wolfgang Strasburg und finden
Zuflucht in der Aula eines Internats in Calbe/Saale. Zu dieser Zeit ist dort eine
polnische Sportmannschaft untergebracht. Nach einer Probe verlässt die Band wie
gewohnt den Raum und begibt sich auf den Heimweg. Diese einmalige Gelegenheit
nutzen die polnischen Freunde und versuchen sich vermutlich nach oder während
eines kleinen Umtrunks, am Instrumentarium. Besonders angetan sind sie von Rainer
Schulzens recht stattlicher Blockflötensammlung. Als die Musikanten ein paar Tage
später ihren Proberaum betreten, sind sie schockiert. Die Drums mit getrocknetem
Erbrochenen besudelt. Eine gerissene Basssaite. Eine eingetretene Lautsprecherbox.
Mehrere gespaltene Blockflöten. Indessen die anderen mit den Tränen kämpfen,
bewaffnet sich Ecki Grimpe mit einer Schere. Er dringt in die Sporthalle des hier
trainierenden polnischen Teams ein und schneidet wutentbrannt sämtliche Trageriemen
ihrer Sport- und Reisetaschen ab. Dieser Vorfall wird kurz darauf von der
Internatsleitung ausgeschlachtet und politisch zugeordnet. Die Musikanten ziehen
den kürzeren und aus dieser Stätte. Sie kommen in den Räumen des »SKAJ«, der
bekannten Insiderdiskothek im Obergeschoss des Kreiskulturhauses Schönebeck,
unter. Dort proben sie nun mit dem neu hinzugekommenen Taster Peter Volz, vormals
bei GALAXIS, vornehmlich Coverversionen, wie SANTANAS »Jingo« ein. Anfang
Sommer kommt es zum Austausch der Bassisten.
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