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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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Micky wächst gut umsorgt, auch von den

Großeltern, in einem relativ geräumigen Haus

auf. Keller und Dachboden sind dunkel und

geheimnisvoll. Die Flora des Gartens umgibt

ihn mit Farben und Gerüchen. Opas Werkstatt

mit Hammer, Hobel und Säge bietet sich als

faszinierender Spielplatz an. Es ist schon recht

bizarr, wenn er seine Faxen auslebt. Er zieht sich

seine Hosen bis zu den Kniekehlen herunter und

rennt den Gartenweg auf und ab. Dabei schreit er

irgendetwas Undefinierbares.

Nachbarin Gerda Z.: „Nicht nur mir wollte

er sein Genital zeigen, auch fremde Personen,

vor der Gartenpforte sprach er an. Ohne eine

Reaktion auf seine Frage ‚Tante, willste mal

mein Puller sehn?‘ abzuwarten, zog er diesen

beträchtlich in die Länge.“

Micky, 1959

Von Stunde an nimmt Micky die beruflichen Aktivitäten des Vaters wahr. So bekommt

er einen ersten und engeren Kontakt zur Musik. Montags und donnerstags sind von

zehn bis dreizehn Uhr Orchesterproben. Sie finden im »Theater der Freundschaft«,

dem späteren Kreiskulturhaus Schönebeck statt. An den Wochenenden gibt man

Konzerte. Ansonsten ist Kurt meistens daheim. Er schreibt und spielt. Schreibt Noten,

steht vom Schreibtisch auf, setzt sich ans Klavier und dann zurück zu Federgriffel

und Tintenfass.

Im Rahmen von Anrechtskonzerten führt das Orchester unter anderem Beethoven-

Sinfonien auf. Dies sogar in den Kneipensälen der Dörfer in Magdeburgs Umkreis.

Zwölf Wochen im Jahr ist man zu Gastspielen in verschiedenen Ostseebädern

engagiert. Micky und seine Mutter gehen mit auf Tournee. So auch im Juni 1961

nach Kühlungsborn. Hier wird ihm das Meer zur zweiten Heimat. Im Rahmen eines

Hafenkonzertes drückt der Vater dem Spross seinen Stab in die Hand: Kleinmicky darf

das fast vierzigköpfige Orchester dirigieren. Anfang August besucht Ruth Bortfeld

mit ihrem Mann Alfred für ein paar Tage ihren Bruder Kurt. Gemeinsam liegen die

Familien am Strand. Onkel Alfred hat die Arme hinter seinem Kopf verschränkt

und beobachtet die Schönwetterwolken. Micky wundert sich über ein kleines blaues

A unter dessen Achselhöhle. Der Onkel bemerkt dies und nimmt blitzschnell seine

Arme herunter. Nun konzentriert sich Micky auf dessen Füße. Warum dem Onkel

denn der große Onkel fehle, will er in Erfahrung bringen. Jetzt beginnt dieser aus

dem Nähkästchen zu plaudern. Micky hört Wörter wie Ostfront, 1941, minus 40

Grad, Heeresgruppe Nord, Panzerarmee. Und Moskau. Hier wird nun sein Onkel,

der ehemalige Tigerpanzerfahrer der Waffen-SS, ausführlicher.

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