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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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Ab September 1962 besucht Micky die »Polytechnische Oberschule Karl Liebknecht«

in Schönebeck. Seine erste Schulwoche ist eine recht turbulente. Die Mitschüler

kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Thomas Blumenthal ist der Sohn

vom Chefkonstrukteur des Schönebecker Traktorenwerkes. Das Elternhaus von Horst

Teufel dagegen, ist ein recht Kriminelles. Zweimal wird er mit der Polizei gebracht,

dann sieht ihn die Schule nie wieder. Edwin Igel, ein winziges Persönchen, bringt am

zweiten Schultag ein kleines braunes Fläschchen mit. Es ist gefüllt mit Wasser und

Insekten. Ameisensäure, wie er meint. Edwin kann dem Unterrichtsgeschehen nicht

folgen und kreisförmige Gebilde sind alles, was er auf das Papier bringt. Am Ende

der Woche sieht man ihn ein letztes Mal.

Micky steht einer anderen Problematik gegenüber: Dem Hyperkinetischen Syndrom.

Keinen Augenblick ist er ruhig. Kann nicht stillsitzen. Ist hyperaktiv. Ab der fünften

Klasse beginnt er sich gegen alles und jeden aufzulehnen. Er lernt nicht und gehorcht

niemandem mehr. Im Lehrerzimmer wird ständig über ihn geredet. Er sei nicht

dumm, nur unkonzentriert. Gelangweilt. Lebt in seiner eigenen Welt. Er will nicht

artig werden. Nein und nochmals nein! Ihm wird gähnend übel bei dem Gedanken.

Es sind Wiese und Wald, die ihn öfters als die Wohnstube sehen, in der er seine

Hausaufgaben zu machen hat. Das Schöne an der Natur ist, dass sie sich vorwiegend

draußen befindet. Sie ist schön und gut. Alles scheint ihm Versäumnis, was nicht

Abenteuer bringt. Auch im Elternhaus gibt es Ärger: Er ist nicht unbedingt das, was

man einen guten Esser nennt. Oft akzeptiert er das Mittagbrot nur unter Nörgelei und

Rebellion. Der Braten sei zu faserig, das Kotelett zu sehnig, die Leber zu stinkend,

das Kassler zu bitter, die Wurst zu knorpelig, der Spargel nicht zum Hinterkriegen.

Dessen Spitzen seien doch butterweich und köstlich, meint der Vater. Genau das

ist es, woran sich Micky ganz und gar nicht erfreuen kann. Man versucht ihn zu

kaufen. Für jede gegessene Spargelspitze bekäme er einen Spielzeugindianer. Er

bleibt hartnäckig. Die Oma prophezeit: „Iss, damit du groß und stark wirst und das

Eiserne Kreuz bekommst.“ Auch das ist ihm egal. Ebenso der »Schwarze Mann« im

Keller. Der soll ihn nämlich holen, wenn er sich nicht den Hals waschen lässt. „Warte

Kerl, bis du zu den Preußen kommst. Die werden dir die Hammelbeine langziehen!“

ist die ständige Drohung des Großvaters. Bei Micky hat auch Prügel wenig Sinn. So

könnte man auch eine Matratze verhauen. Er sagt „Aua“, um seinen guten Willen

zu demonstrieren. Niemand hat dir Pflicht zu gehorchen. Auch lässt er Muttern mit

dem Gekochten warten. Denn oft führt nach Schulschluss der Heimweg nicht direkt

an den Mittagstisch. Zusammen mit Klassenkameraden schlendert er hinter den

Gärten der Hellge-Straße am Solgraben entlang. Irgendwann im Februar passiert

ihm dort ein peinliches Missgeschick. Denn an diesem Tag hat Micky es äußerst

eilig heimzukommen. Denn das Schulklo wollte er nicht in Anspruch nehmen.

Und so drückt es nun echt skandalös in seinem Unterleib. Auf halber Strecke

geschieht es dann. Hochnotpeinlich! Die drei Mitschüler blicken nun in Mickys weit

geöffnete Augen. Ein harter Klumpen bahnt sich seinen Weg durch die schwarze

Manchesterhose ins Freie.

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