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Und nach den Ferien mache ich eine Beatband auf

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1983/84: Team 77

Noch rätselnd weshalb der Verdacht auf ihn fällt, glossiert dieser die Situation

mit einem Statement: „Sieh es doch einmal als eine Art Feuertaufe. Als typisches

Stammesritual der westneufundländischen Eingeborenen. Nach der gemeinsamen

Einnahme wird der Urin des Häuptlings für die jungen, neu aufgenommenen Krieger

somit zu einer alles stärkenden und verbindenden Kraft.“ Irgendwo sieht Jürgen

doch noch einen Sinn und versteht sich nun endgültig verbunden mit seinen neuen

Musikkollegen.

Jürgen L.: „Man kann verzeihen, aber nicht vergessen.“

Februar. Ungestüme zwölf Grad Minus. Die Band befindet sich nach einer

Faschingsveranstaltung im Calbenser »Roland« in abfahrbereiter Verfassung. Da

stehen sie. Fünf Personen. Mitglieder des Karnevalsclubs. Sie haben ihren vereinseigenen

Bus verfehlt. Die Musiker werden gebeten, sie mit nach Hause zu nehmen.

Irgendwie machbar.

Das Team kann aufgrund eines nochmaligen Auftrittes, sein Equipment an Ort

und Stelle belassen. Somit wären schon ein paar Plätze im leeren Pkw-Anhänger

zu gewähren. Nicht unbedingt die 1. Klasse. Die johlenden, weil beschwipsten

Fahrgäste platzieren sich unter der Plane des Nachläufers und los geht die Tour. Erwin

will schleunigst ins Bett, demgemäß tritt er aufs Pedal. In einer Neunziggradkurve

bricht auf vereister Fahrbahn der Hänger aus. Jetzt erinnert man sich der Passagiere

hintenan. Durchgefroren und seekrank in Biere endlich heimgekommen, sind die

auch nicht allzu erfreut über den Stil der halbstündigen Rasanz. „Bedanken,“ befindet

Erwin „bedanken hätten die sich schon können!“

Am 16. April 1983 tritt die Band zu einer »Einstufung« im »Braunem Hirsch«

an. Eine Einstufung ist ein Beurteilungsverfahren von Bands aller Art durch die

örtliche Kulturbürokratie. Beurteilt werden Spielqualität und Gesamteindruck. Die

Kommissionen sind oft gemischt besetzt. Da gibt es Musiklehrer von den örtlichen

Schulen, Mitarbeiter der Bezirks- oder Stadtkabinette für Kulturarbeit oder FDJ-

Funktionäre. Zuweilen sitzen auch »gestandene Musiker« dabei. Vergeben wird

Elementar-, Grund-, Mittel-, Ober- und Sonderstufe im Amateurbereich und die

begehrte Profipappe. Einher geht jedoch wie in vielen Bereichen, die zunehmende

Ideologisierung solcher Kulturgerichte. So ergibt sich mit der Zeit eine Fülle bizarrer

Anforderungen, deren Erfüllung mit verschiedenen Punktzahlen von der Jury bewertet

wird. Gefragt sind zunächst plumpe Standards aus der Musiktheorie wie Dynamik,

Intonation und Rhythmussicherheit. Ein weiterer Punkt im Kontrollbereich erfasst

die »gesellschaftliche Wirkung« der Bands. Das betrifft die Ansagen, das Aussehen,

die Bühnenkleidung und natürlich die Textinhalte.

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