Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Graz – wirklich eine Hauptstadt! Erhard Busek<br />
In den besten Zeiten des steirischen herbstes war es <strong>für</strong> einen Wiener selbstver-<br />
ständlich, über den Semmering zu wallfahren, um in den siebziger und achtziger Jahren<br />
in Österreich Moderne erleben zu können. Graz hatte in dieser Zeit zweifellos eine Vorrei-<br />
terrolle, die untrennbar mit den Namen Hanns Koren und Kurt Jungwirth verbunden ist.<br />
Dass Vater und Sohn Krainer darüber schützend ihre Hand hielten, war ganz sicher not-<br />
wendig, um in der konservativen Grundstimmung des Bundeslandes Aufbruch und Gang<br />
an die Grenzen zu ermöglichen. Es ist auch viel davon geblieben, wenn wir an die Literatur<br />
und die darstellende Kunst in Österreich und anderswo denken. Umso schmerzlicher war<br />
es, dass später nichts so recht gelingen wollte. Die unrühmlichen Debatten um das Kunst-<br />
haus sind nur ein Beispiel da<strong>für</strong>.<br />
Graz hat ein Zeichen gesetzt<br />
Das alles ist aber längst Vergangenheit, denn Graz hat mit der Kulturhauptstadt<br />
<strong>2003</strong> wirklich ein Zeichen gesetzt. Einige Kulturhauptstädte habe ich schon gesehen, oft<br />
Pflichtübungen im Herzeigen bekannter Schönheiten. Brügge war 2002 ein solches Bei-<br />
spiel, wo neben einer konventionellen Jan van Eyck-Ausstellung eigentlich nur die Stadt<br />
als Kulisse übrig blieb. Die Steirer haben jedoch den Auftrag ernstgenommen, wobei ein-<br />
mal positiv festgestellt werden kann, dass Stadt, Land und Bund hier gut zusammenge-<br />
wirkt haben, wenngleich es die üblichen Querelen am Rande natürlich gab. Ein Prinzip<br />
aber haben sie durchgehalten, nämlich der Intendanz nicht ins Programm zu pfuschen.<br />
Bleibendes ist mit der Mur-Insel und dem Kunsthaus zu konstatieren, mehr noch bleibend<br />
ist ein Signal, das Graz nach dem Südosten Europas ausgesandt hat. Gar so üppig sind<br />
nämlich die Signale aus dem übrigen Europa nicht, so dass man da<strong>für</strong> sehr dankbar sein<br />
muss.<br />
Es wurde auch Neues versucht, indem man nicht nur auf die übliche öffentliche<br />
Finanzierung vertraute, sondern public private partnership (PPP) im besten Sinne betrieb.<br />
Die Helmut List-Halle ist ein bleibendes Zeichen, das noch dazu in einem Stadtteil loziert<br />
ist, der einen Kulturort schon brauchen kann. Hier wurde eine Verbindung zwischen Kunst<br />
und Wissenschaft hergestellt, weil diese Halle eben den Akustikforschungen des Unter-<br />
nehmens dient und gleichzeitig ein unendlich gelungenes Objekt ist, wo aus dem Indus-<br />
triezeitalter des 19. Jahrhunderts direkt in das 21. Jahrhundert geführt wurde.<br />
Sicher kann man über vieles streiten, über so manche Ausstellung und deren Umfang<br />
bzw. Qualität, aber das gehört dazu. Das Bekenntnis zu Leopold Sacher-Masoch, die künst-<br />
lerische Auseinandersetzung mit dem Krieg sowie eine Reihe von anderen couragierten<br />
103