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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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Grazer Wendezeiten Ernst Sittinger<br />

Die Stadt war immer bürgerlich. Doch erst, seit sie eine linke Mehrheit hat, hat sie<br />

einen rechten Bürgermeister.<br />

Gemeinderatswahlen gehorchen eigenen Gesetzen. Das gilt zunächst in ländlichen<br />

Regionen, wo jeder jeden kennt und Parteipolitik sich fast ausschließlich über die Kraft<br />

jener Personen manifestiert, die der Wähler nicht nur von Plakatwänden lächeln sieht.<br />

Aber auch in Graz, der nach wie vor zweitgrößten Stadt der Republik, waren es seit jeher<br />

einzelne Persönlichkeiten, die der Stadtpolitik jenseits parteipolitischen Kalküls ihren<br />

Stempel aufgedrückt haben. Man erinnere sich an Gustav Scherbaum, der noch aus der<br />

Zeit der „gesicherten“ SPÖ-Mehrheiten stammt. Oder aber an den Profiteur der ersten<br />

„schwarzblauen Wende“, Alexander Götz, der 1973 <strong>für</strong> die FPÖ kandidierte und schließ-<br />

lich mit VP-Hilfe in einem revolutionären Akt auf den Schild des Rathauses gehoben<br />

wurde. Im Gegenzug erklomm in Klagenfurt die spätere VP-Legende Leopold Guggenber-<br />

ger den Bürgermeistersessel. Ein Kuhhandel mit Langzeitwirkung: Guggenberger trat erst<br />

1997 nach 23 Jahren ab, Götz blieb immerhin zehn Jahre. Zu Götz, der in seiner aktiven<br />

Zeit durchaus gute Figur im Grazer Rathaus machte, muss man heute freilich kritisch<br />

anmerken, dass er sich nicht geniert, eine zwar rechtlich einwandfreie, aber unmoralisch<br />

hohe <strong>Politik</strong>erpension einzustreifen, ohne sich von aktuellen Finanzierungsnöten der<br />

öffentlichen Hand besonders stören zu lassen. Götz hat sich also im Nachhinein als „Ober-<br />

nehmer“ entpuppt, er beschädigt an jedem Monatsersten intensiv seinen persönlichen<br />

Ruf und den der gesamten <strong>Politik</strong>er-Kaste.<br />

Bürgermeister Hasibingl<br />

Nach der Gemeinderatswahl 1983 wurde Graz erneut bundesweit berühmt: Ein<br />

monatelanger Poker um den Bürgermeister-Posten endete mit der berüchtigten „Halb-<br />

zeitlösung“ zwischen Franz Hasiba (ÖVP) und Alfred Stingl (SPÖ). Man mag als Durch-<br />

schnittsbürger über diesen Posten-Poker schnöde die Nase rümpfen. Im Machtkalkül der<br />

Parteien hat er freilich seine Berechtigung: Der „Bürgermeister-Bonus“ ist das größte<br />

Kapital <strong>für</strong> die nächste Wahl. Gerade Stingl, der 1985 im fliegenden Wechsel von Hasiba<br />

das Stadtzepter übernahm, verstand es bis zur Perfektion, sich mit der Aura des überpar-<br />

teilichen Stadtvaters zu umgeben. Geradezu entrückt vom täglichen Parteienstreit küm-<br />

merte er sich lieber um das Kalachakra des Dalai Lama als um den Hundekot im Stadt-<br />

park. Er machte Graz zur „Menschenrechtsstadt“, anstatt die horrenden Mülltarife auch<br />

nur zur Kenntnis zu nehmen, und er begrüßte viel lieber internationale Gäste, als sich mit<br />

Parkplätzen und öffentlichem Verkehr herumzuschlagen.<br />

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