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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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interessegetriebenen, rationalen Denken im Sinne von Max Weber ein andersartiges, tradi-<br />

tionales Handeln auffindbar ist: Dies ist die kommunikative Rationalität, nach der die<br />

Akteure sich in erster Linie nicht an ihrem eigenen Erfolg, sondern am gegenseitigen Ver-<br />

ständnis orientieren, denn die Pläne eines jeden kommunikativ Handelnden werden nicht<br />

vom eigennützigen Erfolgsbemessungen, sondern von Akten des Verständnisses koordi-<br />

niert. Er sucht also Verständnis und orientiert sich an Vereinbarungen. Als Kritik an Haber-<br />

mas könnten wir lediglich sagen, dass er der verbindenden Kraft der rationalen Überle-<br />

gungen einen allzu großen Wert beimisst, und seine Anthropologie nur auf einem Bein<br />

steht, da er die Analysen der destruktiven Kräfte, Antreiber und Motivatoren vernachläs-<br />

sigt. Die Kriege auf dem Balkan in den neunziger Jahren sind jedoch Zeugen da<strong>für</strong>, dass<br />

auch in der Geschichte der jüngsten Zeit nur in Ausnahmefällen kommunikativ gehandelt<br />

wird.<br />

188<br />

Oft wird betont, dass die EU eine Gemeinschaft der Interessen aber zugleich auch<br />

der Werte sei. In der vom Konvent verfassten Konstitution sind diese Werte noch ausführ-<br />

licher vermerkt. Hierzu gehören: menschliche Würde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat-<br />

lichkeit, Respektieren der Menschenrechte, Pluralismus, Toleranz, Gerechtigkeit und Chan-<br />

cengleichheit. Wir sehen also, dass diese Ideen der griechischen Philosophie, der christ-<br />

lich-jüdischen kulturellen und religiösen Traditionen, sowie denen der europäischen Auf-<br />

klärung entstammen. 2<br />

Zivilisation und Kultur<br />

Die von der sowjetischen Besatzung und von der kommunistischen Diktatur befrei-<br />

ten Staaten Ost-Mitteleuropas stehen unter Modernisierungszwang. Viele von ihnen<br />

suchen die Modernisierung durch den EU-Beitritt zu verwirklichen. Die Herausforderung<br />

der Modernisierung kommt aber nicht zum ersten Mal in der Geschichte dieser Gesell-<br />

schaften vor. Die Gesellschaft von Ungarn hat schon seit dem Anfang der Verbürgerli-<br />

chung, also seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts mit diesem Problem gekämpft. Dem<br />

gemäß ist die politische Elite und die Intelligenz Ungarns in jener Hinsicht seit zwei Jahr-<br />

hunderten gespalten gewesen, ob die im Modernisierungsprozess vom Westen „importier-<br />

ten” zivilisatorischen Errungenschaften mit der nationalen Tradition zu vereinbaren sind.<br />

Die Modernisierung stellte diese Frage überall. Und aus dieser Problematik stammen im<br />

Zeitalter der deutschen Modernisierung – bzw. in den Ländern an der sog. „Peripherie” –<br />

die gegenseitigen Begriffe der Zivilisation und der Kultur. Diese begriffliche Differenzie-<br />

rung zwischen Zivilisation und Kultur ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Philosophie<br />

von Immanuel Kant zurückzuführen, nach der die Zivilisation zwar nützlich sei, aber doch<br />

etwas von sekundärer Bedeutung, deren Begriff an der Oberfläche der menschlichen Exis-<br />

tenz bleibt. „Im Zivilisationsbegriff”, so Norbert Elias, „werden die nationalen Unterschiede

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