Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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dass die Herzen in diesem Lande im Dreivierteltakt schlagen, bot endlich die lang gesuchte<br />
und plausible Erklärung <strong>für</strong> die in der Steiermark deutlich überhöhte Zahl an Schlag-<br />
anfällen.<br />
Exhumierung von Grazer Berühmtheiten<br />
Man nützte das Kulturjahr <strong>für</strong> die europäische Vorführung von Grazer Berühmthei-<br />
ten, vor allem auch als Botschaft <strong>für</strong> die staunenden Einheimischen, die ihre Mitbewohner<br />
kaum kennen: Eine Ausstellung über Hans und Otto Groß beispielsweise und über das<br />
Vaterproblem, bei der nur nicht recht klar wurde, was man dem Kriminologen-Vater vorzu-<br />
werfen hatte. Eine Würdigung Sacher-Masochs, bei der im Gegensatz zu den Groß’ nichts<br />
im Unklaren blieb, was immer sich zeigen lassen wollte. Aber man hob auch die „psycho-<br />
pathia sexualis“ ins Bewusstsein der Grazerinnen und Grazer, eine verschiedentlich, wohl<br />
auch in der hiesigen Szene, zu findende Aberration. In diesem Werk ist festgehalten, was<br />
in harmlosen Grazern stecken kann, wenn die eine oder andere Venus im Pelz ihre Kreise<br />
zieht.<br />
Weitere Berühmtheiten wurden exhumiert – eine Zeitung suchte gar den größten<br />
wahrzunehmenden Steirer aller Zeiten (der in der Abkürzung nicht als Gröfaz, sondern<br />
als Gröstl zu bezeichnen ist). Peter Rosegger ist es geworden, auch er übrigens ein Dich-<br />
ter (dies nur als ergänzende Information <strong>für</strong> jüngere Leser, die bereits auf dem schulre-<br />
formerischen Weltklasse-Trip unterwegs waren). Rosegger ist tot; deshalb können wir<br />
auch auf ihn stolz sein. Nur beim Gouvernator, mit dem die Steirer in diesem wichtigen<br />
Jahr beinahe ihre Weltherrschaft angetreten wähnten, machen wir eine Ausnahme und<br />
sind schon zu seinen Lebzeiten stolz. Und Gottschalk war auch da; also konnten sich die<br />
Grazer versichern, dass sie nicht nur heimlich, sondern auch unheimlich Spitze sind.<br />
Gottschalk darf als Ausgleich da<strong>für</strong> gelten, dass wir den Opernschlamassel ignorieren<br />
können.<br />
Die echten Grazer fühlen sich Spitze, und sie fühlen sich als echte Steirer, auch<br />
wenn sie genau genommen eine Mischkulanz aus Slawen und Bayern, mit ein bisschen<br />
Resten von Kelten und Zutaten von Römern, sind. Aber das müssen wir ja den Kultur-<br />
hauptstadttouristen nicht auf die Nase binden. Neuerdings freilich gibt es immer mehr<br />
neue „echte Grazer“ unterschiedlicher Hautfarbe, was die echten echten Grazer nicht<br />
immer goutieren. Im Kulturjahr <strong>2003</strong> wurde die Migrationsfrage auch kulturell thema-<br />
tisiert, wie es sich der „Menschenrechtsstadt“ Graz, mit ihrer beachtlichen Bettler-<br />
Geduld, ziemt. Henning Mankell hat den Butterfly Blues geklimpert, nicht großartig, aber<br />
anrührend. Aber es wird wohl noch dauern, bis sich alle mit dem Zeitalter der Völker-<br />
wanderung abfinden. Graz tut einstweilen so, als ob es tolerant wäre; und das ist ja<br />
was.<br />
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