Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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che Baggeraktionen, begleitet von den besorgten Kommentaren einer zutraulich-freund-<br />
schaftlichen <strong>Politik</strong>, die ihre Augen weit geschlossen hält. Bei den Straßen war es bei der<br />
Planung geblieben, teilweise nach alten Vorgaben: Beispielsweise bei der Planung von<br />
großen vierbahnigen Gürtelstraßen mitten durch Geidorf, die uns bis heute nicht vergönnt<br />
waren. Das ärgert die Taxifahrer; aber sie träumen auch deshalb von grenzenlosen Stadt-<br />
autobahnen, weil es seit dem Ausbau von Radwegenetzen niemandem gelungen ist,<br />
irgendeine Art von Verkehrspolitik in Graz zu entdecken. Graz darf stauen.<br />
Graz darf fliegen<br />
Aber wenn es unten staut, kann man nach oben ausweichen. In diesem Jahr hat es<br />
die Grazer über ihre historische Dachlandschaft hinausgedrängt. Graz durfte auch fliegen.<br />
Himmelwärts, himmelschwer wuchsen Leitern aus den Dächern, führten hinauf, dort, wo<br />
sich auch die Grazer nicht mehr sicher sind, ob am Ende etwas zu finden sein würde:<br />
Raum, Höhe und Tiefe, Schwerkraft, Gravitation, Leichtigkeit und Schwere, Bewegung und<br />
Stille, Sündenfall und Engelsturz, Auferstehung und Himmelfahrt, Levitation, Rotation. Luf-<br />
tige Wegweiser; Graz hat sich gestreckt, hat über sich hinausgewiesen, ins Blitzblaue. Da<br />
blicken wir auch der Heiligen Maria gerne ins Auge, gegen einen Opfergroschen im Euro-<br />
Format, und bitten, sie möge uns bewahren vor Kopfschmerzen und Korruption.<br />
In Zeiten, in denen die Kultur unter Standortsicherungsaspekten wahrgenommen<br />
wird, war dieses Jahr auch ein Jahr der Chance <strong>für</strong> die Innenstadt. Die Grazer selbst trin-<br />
ken ihren Prosecco im Operncafé – oder neuerdings im Sacher – und verzehren ein paar<br />
Frankowitsch-Brötchen. Aber den Italienern haben wir beigebracht, dass es das „Sacher“<br />
nur in der Grazer Herrengasse gibt, nicht, wie sie fälschlich meinten, in Wien. Die Jünge-<br />
ren und Flippigeren unter den In- und Ausländern bevorzugen die Lokale mit fremdartig<br />
klingenden Bezeichnungen. Aber einkaufen gehen die meisten Grazer doch in den Shop-<br />
ping Cities, oft jenseits der Gemeindegrenzen: ein Problem <strong>für</strong> die Innenstadtkaufleute,<br />
die mit ihrem spärlichen Geld bekanntlich leichtsinnig umgehen, und <strong>für</strong> die Grazer<br />
Gemeindeväter, die ihr spärliches Geld dergestalt erst gar nicht einnehmen können. Das<br />
waren noch Zeiten, als die Grazer Umlandgemeinden allesamt eingemeindet werden<br />
konnten.<br />
Aber die Touristen kommen glücklicherweise nicht in diese Center, sondern streunen<br />
durch das Centrum, flanieren auf der Suche nach einem sonntagsoffenen Lokal. Die<br />
Beherberger haben sich über das Kulturjahr gefreut, ebenso wie die Würstl- und Kebab-<br />
Verkäufer, sogar manche Gastronomen, und über den Geschäftsgang der Drogenhändler<br />
ist Näheres nicht bekannt. Man hörte die Sprachvielfalt; ausländisch wenigstens in jenem<br />
Ausmaß, in dem in der salzburgischen Getreidegasse vereinzelt noch das Deutsche vor-<br />
kommt.<br />
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