Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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All dies böte einer offensiven, kreativen <strong>Politik</strong> ein geradezu ideales Spielfeld <strong>für</strong><br />
Umsetzungen aller Art. Was mehr kann sich ein Entscheidungsträger wünschen als diffuse<br />
Sympathie aus der Ferne und konkreten Enthusiasmus vor Ort? Was mehr, als eine strah-<br />
lende Marke, die bloß weiter aufgeladen werden muss, um alsbald ein harter Standort-<br />
faktor zu werden?!<br />
Demokratiespielchen<br />
Schneller Erfolg, siehe oben, lähmt den Österreicher. Graz 03 wurde vier Jahre lang<br />
vorbereitet, Graz 04 überhaupt nicht. Da werden von hilflosen Stadträten kulturelle Gesel-<br />
ligkeitsabende abgehalten, da werden Kellerbühnen evaluiert und lärmige Demokratie-<br />
spielchen durchgeführt, wo es in der Tat bloß eines Masterplans bedürfte, der den vorhan-<br />
denen Erfolg weiterführen könnte. Und Stadt und Land begegnen einander mit multipel<br />
verteilten Berührungsängsten, wo indes ausschließlich engste Zusammenarbeit vonnöten<br />
wäre, um die begrenzten Ressourcen zu potenzieren. Ohne das Teamspiel zwischen dem<br />
SP-Bürgermeister Alfred Stingl und dem VP-Stadtrat Helmut Strobl wäre der Titel Kultur-<br />
hauptstadt Europas niemals nach Graz gelangt. Die Kooperation der beiden war ein Mus-<br />
terbeispiel pragmatischer <strong>Politik</strong> oder, wie George W. Bush sagen würde, eine Achse des<br />
Guten.<br />
Venedig zum Beispiel, das sich aus seiner kostbaren Natur heraus eigentlich genü-<br />
gen könnte, demonstriert ständig, dass zuviel nicht genug ist. Während der Giga-Schau<br />
Biennale finden dort nicht nur die Filmfestspiele statt. Nein, im Regelfall gibt es zusätzlich<br />
drei bis vier bedeutende Ausstellungen und dazu Konzerte sonder Zahl. Swing, when<br />
you´re winning, heißt die Devise. Und nicht: Nach getaner Arbeit ist gut ruhen. Was den<br />
Steirern so offenkundig verborgen bleibt, ist die Regel, dass Erfolg unter dem gnadenlosen<br />
Verdikt steht, weitere Erfolge generieren zu müssen. Und dass bereits Stillstand als Miss-<br />
erfolg gewertet wird. Das ist ein ziemlich anstrengender Regelkanon, aber jedem privat-<br />
wirtschaftlich tätigen Menschen ist er aus dem Alltag vertraut.<br />
Die Verbindung von Incoming-Tourismus und Kultur wird von Hütern der reinen<br />
Lehre heftig gegeißelt. So, als bräche die lokale Kreativität in sich zusammen, wenn sie<br />
dem fremden Blick ausgesetzt wird. Dabei ist abzusehen, dass das frisch gewon-<br />
nene Selbstbewusstsein der Grazer wieder rapide schrumpfen wird, wenn das die<br />
Besucherzahlen auch tun. Vielen hat es einfach gut getan, sich nach Jahrzehnten im<br />
geopolitischen Krähwinkel plötzlich an einem begehrten Ziel zu erleben. Und die so<br />
entstandene gute Stimmung ist auch ein starkes Treibmittel <strong>für</strong> offensive, weit-<br />
blickende <strong>Politik</strong>, die sich nicht vor permanenter Übellaune ihrer Bürger <strong>für</strong>chten muss.<br />
Die auch Dinge durchsetzen kann, deren Sinnhaftigkeit sich erst auf den zweiten Blick<br />
erschließt.