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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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tende Niederlage gegen die Türken, dem westlichen Teil Europas angehört. Die hundert-<br />

fünfzigjährige Besatzung der Türken und die darauf folgende Herrschaft der Habsburger<br />

hat aber die Entwicklung der ungarischen Gesellschaft gestoppt und sie in die Rich-<br />

tung des osteuropäischen Entwicklungsmodells gerissen. Die Reformära am Anfang des<br />

19. Jahrhunderts und die bürgerliche Revolution von 1848 boten eine Chance <strong>für</strong> die Ein-<br />

gliederung der ungarischen Gesellschaft in die modernisierende westeuropäische Entwick-<br />

lung. Der Zusammenbruch des Freiheitskampfes im Jahre 1849 machte all das unmöglich.<br />

Die nächste Möglichkeit der ungarischen Gesellschaft <strong>für</strong> einen Anschluss an Westeuropa<br />

ergab sich erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Rasch entwickelte sich nach 1945<br />

das Mehrparteiensystem und die anderen Institutionen der Demokratie. Das ungarische<br />

Volk – den Tschechen und den Polen ähnlich – ahnte von den Pakten der Großmächte gar<br />

nichts. Wohlbekannte Tatsache, dass die Chance <strong>für</strong> die Demokratie und <strong>für</strong> eine bürgerli-<br />

che Entwicklung nach 1949 noch einmal verschwand. Gegen die kommunistische Diktatur<br />

und die sowjetische Besatzung brach – wahrscheinlich von den Ereignissen in der DDR und<br />

in Polen nicht unabhängig – 1956 in Ungarn eine Revolution aus. Der Freiheitskampf gegen<br />

das sowjetische Reich, die Annahme des ungleichen Kampfes, errang die Anerkennung der<br />

demokratischen Welt. Die Niederlage zwang 300.000 unserer Mitbürger in die Emigration.<br />

Dem Zusammenbruch der Revolution folgte eine grausame Vergeltung, aber nach ein paar<br />

Jahren stellte sich heraus, dass man die Strenge der Diktatur mildern muss.<br />

Entwicklungszyklen der Modernisierung<br />

Bei der Untersuchung der Geschichte der ungarischen Modernisierung werden auch<br />

solche Stimmen laut, nach denen „unsere Aufholbemühungen” – mindestens seit zwei<br />

Jahrhunderten – in Zyklen von ungefähr siebzig Jahren verlaufen: zwischen 1780 und<br />

1848, 1848 und 1918 sowie zwischen 1918 und 1989. 6 Die bereits erwähnten Zyklen<br />

können dreigeteilt werden: Der erste Zyklus ist einer der Modernisierung, der die Aufhol-<br />

jagd und den Anschluss an das entwickelte, west-europäische Zentrum zum Ziel hatte. Im<br />

zweiten Zyklus dominiert das Verdrängen der Modernisierungsbestrebungen. Im dritten<br />

ist eine Integration, die bemüht ist, nationale und internationale Zusammenhänge der<br />

Modernisierung, sprich Heimat und Entwicklung, in Frieden zu vereinen, vorherrschend.<br />

Die Erfahrungen aus der ungarischen Geschichte zeigen, dass bis zu diesem Zeitpunkt der<br />

dritte Zyklus der einzig begehbare Weg war und im Hinblick auf diese Aufholjagd gewisse<br />

Erfolge gebracht hat. Wir möchten hoffen, dass der uns bevorstehende Versuch der Inte-<br />

gration und Annäherung, bei der eine der wichtigsten Anforderungen das Stehen zur<br />

nationalen Identität ist, endlich erfolgreich wird.<br />

Das Scheitern der Konstitutionsdebatte beim Gipfeltreffen im Dezember und der<br />

Gedanke eines „zweigängigen Europas” stimmen uns schwermütig. Die Kandidatenländer,<br />

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