Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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Es ist eine uralte Erfahrung: Wenn auf den Menschen allzu viel Neues, Unbekanntes<br />
einstürmt, ist er zunächst einmal irritiert und wird unsicher. Dann aber beginnt er sich auf<br />
Altvertrautes, längst Verinnerlichtes zurück zu ziehen und es mit neuem Nachdruck zu<br />
betonen. Das gilt <strong>für</strong> das Leben der Völker genau so wie <strong>für</strong> das Leben des einzelnen Men-<br />
schen, und wir sind dabei, das an vielen Stellen der Welt zu beobachten und wieder neu<br />
zu lernen.<br />
Begonnen hat diese ganz natürliche Reaktion bei den moslemischen Völkern, zumin-<br />
dest bei einer Reihe von ihnen. Das Vordringen fundamentalistischer Tendenzen im Iran,<br />
im Irak und in Pakistan gehört hierher ebenso wie die Mobilisierung islamischen Selbstbe-<br />
wusstseins in Indonesien und Malaysia, die Rückkehr des Islam in die südlichen GUS-<br />
Republiken und sein kraftvolles Vordringen in Schwarzafrika. Aber es ist nicht nur der<br />
Islam allein, von dem hier die Rede sein muss. In China kommen, wenn nicht alles täuscht,<br />
hinter den kommunistischen Strukturen und Redeweisen tief eingewurzelte konfuziani-<br />
sche Haltungen wieder zum Vorschein und auch das Wiedererstarken des Hinduismus in<br />
Indien ist heute schon mit Händen zu greifen. (Freilich wird der indische Subkontinent<br />
wohl eine sehr viel komplexere Entwicklung nehmen als etwa China, solange die Konflikte<br />
zwischen Indien und Pakistan nicht beigelegt sind.)<br />
Niemand kann heute sagen, wie sich die Zukunft in allen diesen Teilen der Welt wirk-<br />
lich gestalten wird. Im Moment spricht jedenfalls viel da<strong>für</strong>, dass sich die Bewegung der<br />
Rückbesinnung auf überkommene Werte, Denk- und Verhaltensweisen in vielen Ländern<br />
eher noch verstärken als abschwächen wird.<br />
Hin zu einer regionalisierten Welt?<br />
Wahrscheinlich wird diese geistige Bewegung zu einer völlig neuen Strukturierung<br />
der Welt führen. Der herkömmliche Nationalstaat war, wenn man ehrlich ist, ohnehin keine<br />
weltweit gültige, sondern eine weitgehend auf die Welt des „weißen Mannes“ beschränkte<br />
Erscheinung; die Staaten der „Dritten Welt“ entsprechen kaum einmal dem klassischen<br />
europäischen Muster, sondern gehen überwiegend auf koloniale, d.h. von außen diktierte<br />
Muster zurück. Unabhängig davon werden sich über den heute bestehenden Klein- und<br />
Mittelstaaten größere Einheiten der Zusammenarbeit, vor allem aber der Interessenvertre-<br />
tung, ja der Interessenverteidigung nach außen bilden – Einheiten, die man am besten als<br />
„Blöcke“, „Regionen“ oder auch „Weltregionen“ bezeichnet.<br />
Diese neuen Einheiten, die sich also zwischen das Netz der herkömmlichen Staaten<br />
und die Ebene der bereits bestehenden weltweiten Organisation (vor allem die UN) schie-<br />
ben dürften, werden gewiss nicht sofort die gesamte Oberfläche des Erdballs lückenlos<br />
bedecken und ihre innere Ordnung, ihre Verfassung wird auch nicht bei allen dem glei-<br />
chen Grundmuster folgen. Sie werden sich aber zunehmend auch als politische Einheiten<br />
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