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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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Adieu <strong>2003</strong> – Die alten Suppenkessel<br />

dampfen wieder Frido Hütter<br />

Es ist ein seltsames, aber bekanntes Phänomen: Wann immer das österreichische<br />

Fußballteam zu einer raschen 1:0 Führung kommt, darf man das Match meist als verloren<br />

betrachten. Sich auf Erfolgen auszuruhen, ist eine nationale Eigenheit. Sie passt auch ins<br />

politische Kindchenschema, demzufolge sich Österreich so gerne als „kleines Land“<br />

bezeichnet. Aber man muss gar nicht erst ins Stadion, um das zu erkennen. Das Grazer<br />

Kulturhauptstadtjahr <strong>2003</strong> oder, besser gesagt, die nicht aus ihm gezogenen Schlüsse<br />

eignen sich als Modellfall <strong>für</strong> diese Infantilität, deren fatale Folgen stark unterschätzt<br />

werden.<br />

Rückblende<br />

Die Natur der Grazer, der Steirer war eine paradoxe Einschätzung ihrer Lage. „Ich<br />

war noch in keiner Stadt, deren Bewohner eine so ungünstige Selbstanschauung hatten<br />

wie hier,“ meinte einst Gerald Thomas, Brasilianer mit Wohnsitz in New York, nach einer<br />

längeren Arbeit an der Grazer Oper. Und traf den Punkt: Vermeintlich permanenter Lie-<br />

besentzug durch diverse Bundesregierungen, Kränkung von Seiten der Bundeshauptstadt,<br />

Hintansetzung im Verkehrsnetzausbau etc. bestimmten die Gefühlslage der Steirer. Und<br />

dem ganz entgegengesetzt, parfümierte man sich mit der sicheren Vermutung, dass der<br />

„steirische herbst“ das internationale Feuilleton in höchste Erregung versetze, dass „unser“<br />

Arnold halb Amerika zu Beutesteirern mache, und Graz sowieso die heimliche Liebe der<br />

ganzen Welt sei.<br />

Summa summarum ein gewaltiger Realitätsverlust. Denn in Wahrheit gab es weder<br />

eine systematische nationale Missachtung noch eine nennenswerte internationale Beach-<br />

tung. Graz war und ist ein von Kunst und Kultur üppigst durchwirktes europäisches Mittel-<br />

städtchen. Die Steiermark wiederum ist eine von der Natur bevorzugte Region, deren<br />

Attraktionen von alpinen Naturparadiesen bis zu arkadischen Genusslandschaften rei-<br />

chen. Bloß hatten das jenseits von Semmering, Pack und Dachstein zu wenige bemerkt.<br />

Graz <strong>2003</strong> hat das mit einer Radikalität geändert, die ohne Vergleich dasteht und<br />

deren energetische Reserven von vielen vor Ort gar nicht begriffen werden. Allein die<br />

Summe von positiv konnotierten Erwähnungen der Stadt in hunderten, international rele-<br />

vanten Medien wäre weder käuflich zu haben noch zu bezahlen. Bei aller Wertschätzung<br />

des künstlerischen Programms ist die Markenbildung Graz das eigentliche Kunstwerk des<br />

Kulturhauptstadtjahres geworden. Mit dem Zusatzerfolg, dass sie auch nach innen gewirkt<br />

hat, dass die Grazer plötzlich saufroh zu sein scheinen, Grazer sein zu dürfen.<br />

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