Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

Strategische Überlegungen für Europa
Wie immer man die vorstehend angerissenen Themen beurteilt – auf eine weitere
grundlegende Überlegung wird Europa ebenfalls nicht verzichten können: auf die Überle-
gung, wie es sich für den Fall verhalten soll, dass Entwicklungspolitik und interkultureller
Dialog auf die eine oder andere Weise erfolglos bleiben. Es erweist sich nämlich, dass das
Problem der internationalen Sicherheit mit dem Zusammenbruch des sozialistischen
Lagers nicht gegenstandslos geworden ist – wenn alle Stricke reißen, muss eben auch an
militärische Selbstverteidigung gedacht werden. Davon wird à la longue, wenn der Westen
einigermaßen bei Verstand ist, die Zukunft der NATO und ähnlicher Institutionen bestimmt
werden.
Aber auch hier bieten sich weitergreifende Überlegungen an. Wenn es zutrifft, dass
die entstehenden Machtblöcke der Welt nicht zuletzt weltanschaulich geprägt sein wer-
den, dann liegt der Gedanke nicht allzu fern, dass Europa sich vor allem der Kooperation
mit solchen Regionen zuwendet, die mehr oder weniger „aus seinem Geiste“ denken.
Deswegen braucht es, so schwierig sich das im Einzelnen gestalten mag, die enge und
vertrauensvolle Freundschaft mit den beiden angelsächsischen Staaten Nordamerikas, die
auch in Zukunft mehr wert sein wird als die schönsten innereuropäischen Hegemonie-
träume, und deshalb darf bei allen langfristigen strategischen Überlegungen Lateiname-
rika (Südamerika, Zentralamerika und Mexiko) nicht aus den Augen verloren werden. Es
ist heute schwer abzuschätzen, wie eine solche nach allen Seiten offene, für Freundschaft
unter Gleichgesinnten aber besonders empfindsame Politik konkret aussehen könnte.
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