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Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei

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Vieles, was über Urbanität diskutiert wird, entwickelt sich in Österreich an der Diskussion<br />

über Wien, namentlich über Wien um 1900. 4 Die Stadt ist buchstäblich und bildlich immer<br />

in Bewegung. Sie ist stets gefordert und fordernd – gegenüber ihren Bewohnern und ihren<br />

Gästen. Die Stadt ist „Challenge“ oder – wie im Zusammenhang mit Wien am Ende des<br />

19. Jahrhunderts formuliert wurde – so etwas wie ein „Treibhaus“: Routine, Zunft, Kartell,<br />

Bürokratismus und Zentralismus sind stadtfeindlich, führen zu Erstarrung. Deshalb bele-<br />

ben neue Probleme und Konflikte. Kreatives Klima einer Stadt heißt: Das Nichtalltägliche<br />

ist Alltag. Das Ungewöhnliche ist vertraut. Gerade die Arbeit <strong>für</strong> die Kulturhauptstadt Graz<br />

ließ ganze Gefühls- und Wortketten preisend entstehen: Lebensfreude, Farbe, Spiel, Thea-<br />

tralik, Leichtigkeit, Großzügigkeit, Weite, Perspektive, Begegnung und Bewegung, Aktivität,<br />

Dynamik im rechten Maß einer nicht zu großen und einer nicht zu kleinen Stadtgestalt.<br />

Aristoteles hat stets diese Frage der richtigen Größe aufgeworfen und zu beantwor-<br />

ten getrachtet. Gerade Städte der Größenordnung von Graz werden neben den ausfran-<br />

senden Metropolen ihre Zukunft in Lebensqualität und als Chance der Beheimatung in<br />

aller Mobilität bieten. In einer Atmosphäre der Freiheit und Offenheit ist Sichtbarkeit und<br />

Überblickbarkeit so notwendig, um die Pluralität als Inspirationsquelle und nicht als des-<br />

truktiven Konflikt zu erleben und „auszureizen“, ja schöpferisch zu verarbeiten. Städte wie<br />

Graz müssen darum kämpfen, nicht kulturlos in Kern und Umland zu zerfließen, wie dies<br />

bei Los Angeles der Fall ist.<br />

Fläche und Bevölkerung in rechter Größe, die Dichte der Kirchen und Klöster, Häu-<br />

ser, Schulen, Universitäten, Theater, Fabriken, Büros in ihrer Multifunktionalität machen<br />

die Qualität einer Stadt aus, auch die Verankerung der <strong>Politik</strong>, historisch gesehen um Burg<br />

und Hof gelagert, dann schon in der Antike und später in den Niederlanden zur Bürger-<br />

stadt werdend und schließlich in der liberalen Systemkonstruktion mit Parlament, Höchs-<br />

tgerichten und Ministerien sich demokratischen Prozessen als „Schale“ anbietend.<br />

Kultur als menschliche Hervorbringung im weitesten Sinn des Wortes trifft in ihren<br />

alten und neuen Emanationen in Städten zusammen. Multikulturalität ist ein vielfältiges<br />

Wort und reicht von den verschiedenen ethnischen Trägern bis zu den modernen Instru-<br />

menten der Wissens- und Informationsgesellschaft.<br />

Probleme gibt es freilich mit Umwelt und Verkehr, mit Versorgung und Entsorgung –<br />

Belastungen, die einen Gutteil der Kommunalpolitik ausmachen.<br />

Der große deutsche Kunsthistoriker Wolfgang Braunfels notierte einmal in kluger<br />

Kritik: „Wer immer in allen Jahrhunderten nur ein Notwendiges plante, hat auch das<br />

Notwendige nicht erreicht. Die Menschheit bedurfte des emotionalen Bezugs zu ihren<br />

Wohnstädten, sie forderte die ästhetische Überhöhung, eine Kultur der Gestaltung, die<br />

dem Alltag mehr als allein Glanz verleiht.“ 5<br />

Für Graz gerade auch in einzelnen Veranstaltungen wurde ein Wort des liberalen,<br />

vielleicht größten deutschen „Stadtpolitologen“ im 20. Jahrhundert Postulat: „Das Ewige<br />

Leben ist ein städtisches. Es ist ein Paradies der Kultur, ein Bauwerk, ein Gebilde nicht der<br />

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