Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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einzelnen Parteien, sondern auch was die übrigen im Konvent repräsentierten Gruppen<br />
betrifft. 50 Die Erwartungen an den Österreich-Konvent sind heterogen, komplex, vielschich-<br />
tig. Einerseits geht es um die anfangs angesprochene formale Bereinigung der österreichi-<br />
schen Bundesverfassung, andererseits um inhaltliche Veränderungen. Während die Frage<br />
der formalen Bereinigung zwar durchaus rechtstechnische Probleme bereitet, politisch<br />
aber weniger heikel ist, prallen bei der Frage der inhaltlichen Veränderungen hinsichtlich<br />
einer Reihe von Themen diametral entgegengesetzte Interessen aufeinander, die einen<br />
politischen Konsens nicht unmöglich, aber schwer machen. Dabei geht es überwiegend<br />
um Machtfragen, in denen freilich kaum jemand freiwillig und ohne „Entschädigung“ Ein-<br />
fluss abgeben möchte.<br />
Die Erwartung der formalen Verfassungsbereinigung ist vor allem auch den (Verfas-<br />
sungs-)Juristen innerhalb und außerhalb des Konvents ein Anliegen und nimmt in deren<br />
Erwartungshaltung einen höheren Stellenwert ein. Ein Kompromiss in diesem Bereich<br />
scheint durchaus realistisch, auch wenn es einzelne Stimmen gibt, die etwa der Meinung<br />
sind, dass derartige Bestimmungen, wie im Eingangszitat dieses Beitrags angeführt, weiter-<br />
hin Teil der Bundesverfassung sein sollten. Überwiegend dürfte es aber Konsens geben,<br />
dass eine Vielzahl der derzeit verstreuten Verfassungsnormen ihres Verfassungsrangs ent-<br />
kleidet oder in das B-VG inkorporiert werden sollen. Und auch <strong>für</strong> die Zukunft sollte da<strong>für</strong><br />
gesorgt werden, dass jedenfalls Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen nicht<br />
mehr zulässig sind. Ein absolutes Inkorporationsgebot scheint allerdings derzeit eher unre-<br />
alistisch zu sein. Einiges deutet darauf hin, dass „Trabanten“ in Form von Bundesverfas-<br />
sungsgesetzen auch weiterhin neben dem B-VG bestehen und geschaffen werden können.<br />
Inhaltliche Verfassungs- bzw. Staatsreformen<br />
Viel schwieriger als eine formale Bereinigung wird es freilich sein, Konsens über<br />
inhaltliche Veränderungen herbeizuführen. Die Interessenlage ist sehr unterschiedlich. Die<br />
einen wollen Deregulierung, einen teilweisen Rückzug des Staates, mehr Freiraum und<br />
damit auch Verantwortung <strong>für</strong> den Einzelnen. Die anderen wollen hingegen mehr Aufga-<br />
ben und Verantwortung <strong>für</strong> den Staat, vor allem im Sozialbereich. Die einen wollen in<br />
erster Linie eine Straffung der Staatsorganisation und meinen damit häufig Zentralisie-<br />
rung und Konzentration der Kompetenzen bei Bundesorganen. Die anderen wollen hinge-<br />
gen eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und damit durchaus auch in manchen Berei-<br />
chen eine Dezentralisation. Die einen fokussieren auf ideale Werte und Grundsätze, die sie<br />
verwirklichen wollen, die anderen wiederum schielen in erster Linie auf mögliche geld-<br />
werte Einsparungspotentiale, usw. Jedenfalls sind alle im Konvent – dieser Eindruck ist<br />
wohl nicht von der Hand zu weisen – guten Willens. Freilich zeigen die unterschiedlichen<br />
Positionen, wie schwierig es angesichts der heterogenen Interessenlage ist, bei inhaltli-<br />
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