Steirisches Jahrbuch für Politik 2003 - Steirische Volkspartei
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Die Vermeidung von Schlagobers –<br />
Rückblick auf die Kulturhauptstadt Manfred Prisching<br />
Wolfgang Bauer sagt über Graz: „Fern liegt Graz im Dunst. Die Türken und Magyaren<br />
haben es vielleicht so zuerst erblickt. Seine Größe ist unbestimmt. Eine verschwommene<br />
Wolke, die alles erwarten lässt. Prunkstadt, Residenzstadt, Industriezentrum, erloschene Stadt?<br />
Was könnte das sein? Eine Stadt wie jede andere vielleicht, ein winziger Fleck auf der Land-<br />
karte. Sitze ich gerade dort drinnen und beschreibe ich alles? ... Spielt gerade GAK gegen<br />
Sturm? Wird im Schauspielhaus eines meiner Stücke aufgeführt, unterhalten sich die Leute? ...<br />
Ist das alles Jetzt oder ist alles Geschichte?“<br />
Es ist Jetzt. Es war Jetzt. Und da war noch anderes in der näheren Vergangenheit; in<br />
dieser vielfältigen, widersprüchlichen, bunten Stadt, dieser geschichtsbewussten, gegen-<br />
wartszugewandten und zukunftsoffenen Stadt, dieser Stadt mit Kunstsinn und Intellekt,<br />
mit herrlichem Essen, reichlich Wein und freundlichen Menschen, einer Stadt mit<br />
besonderen Ambivalenzen – und alles mögliche andere ließe sich über Graz noch sagen,<br />
alles das, was sich Marketing-Experten zur Ankurbelung des Städtetourismus beinahe<br />
über alle Agglomerationen dieser Welt einfallen lassen. Graz ist alles das auch. Und Graz<br />
ist noch mehr: eine Stadt, die alles darf. So glauben es manche. Manche missverstehen es<br />
auch: eine Stadt, in der man alles darf.<br />
Graz darf alles<br />
Graz war soeben ein kleines bisschen berühmt. Kulturhauptstadt des dritten Jahres<br />
nach der Jahrtausendwende. Im dicken Programmbuch heißt es im ersten Satz: „Graz rückt<br />
ein schiefes Bild zurecht.“ Was genau schief war beim Bild und was beim Zurechtrücken<br />
herauskommt, wissen wir zwar nicht. Aber spätestens am Ende des Kulturhauptstadtjahres<br />
sind wir zurechtgerückt, verrückt, aus dem Schiefen heraus begradigt oder aus dem Gera-<br />
den heraus schräg geworden. Das ist ja heute nicht mehr so einfach zu unterscheiden.<br />
Irgendwie soll das Zurechtrücken dem Prinzip gefolgt sein: „Graz darf alles.“ Der<br />
neue Slogan, entsprungen der harten Geistesarbeit jener Menschen, die sich gerne mit<br />
angeborener Bescheidenheit die „Kreativen“ nennen, klingt freilich eher nach einem unge-<br />
zogenen Kind. Aber infantil möchte Graz nicht sein. Eher schon assoziiert man zum Alles-<br />
dürfen einen Sager wie „anything goes“ – aber das ist bekanntlich dadaistische Wissen-<br />
schaftstheorie und nicht urban-kulturelles Management. Aber vielleicht gibt es auch eine<br />
dadaistische Kommunalpolitik oder eine dadaistische Kulturpolitik? Oder eine virtuelle<br />
Finanzpolitik, die auf allen Ebenen ausgeglichene Budgets herbeizaubert wie Schlingen-<br />
sief den Nazismus?<br />
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